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»Sorry, wir haben uns verfahren«

»Sorry, wir haben uns verfahren«

Titel: »Sorry, wir haben uns verfahren«
Autoren: Stephan Antje; Orth Blinda
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macht, was Sie wollen. Es wird also gleich das Licht ausgehen, und die Türen können zeitweise nicht benutzt werden. Das wird mindestens zehn Minuten dauern, eher mehr.« Das Licht ging aus und wieder an, gefolgt von der Durchsage: »Verehrte Fahrgäste, es gibt im Moment leider nichts Neues. Der Lokführer versucht immer noch, die Störung zu beheben.«
    Nach einer Weile fiel ihm der gerade einfahrende Intercity auf dem gegenüberliegenden Gleis nach Köln auf. Mit hektischer Stimme sagte er: »Verehrte Gäste, da steht ein IC nach Köln am anderen Bahnsteig – halten Sie ihn auf!« Einige Fahrgäste taten wie geheißen, sprangen aus ihren Sitzen und eilten zu dem Intercity. Viele andere blieben jedoch mit dem Gefühl im ICE, das Fina le dieses Comedy-Programms noch nicht erlebt zu haben. Als unser Zug die Fahrt nach der Durchsage »Funk und Computer funktionieren wieder« fortsetzen konnte, sahen sie sich durch folgende Worte bestätigt: »Meine Damen und Herren, Abenteuer Eisenbahn! Es ist spannend und es bleibt spannend. Dazu in Kürze mehr.« Spätestens jetzt hatten die verbliebenen Fahrgäste Bücher und Zeitschriften beiseitegelegt und warteten äußerst amüsiert und gespannt darauf, wie es nach diesem Cl iffhanger wohl weitergehen würde. Wenige Minuten vor der Ankunft in Köln kam die Auflösung: »Verehrte Fahrgäste, in Köln endet heute außerplanmäßig diese Zugfahrt. Der Grund: besagter Computer beim Lokführer. Im Namen der Deutschen Bahn und des Computers bitte ich vielmals um Entschuldigung.« Nach Ankunft wurden wir noch freundlichst verabschiedet. Im Gegensatz zu früheren ähnlichen Erfahrungen stiegen die meisten Fahrgäste mit einem Lächeln aus dem Zug.
    Henrik Segelhorst, Bonn

Das rollende Radio
    Zwischen Entertainment und Politpropaganda: In den Zügen der DDR gab es mit dem Zugfunk ein eigenes Radioprogramm. Die ersten Zuhörer, die in den Genuss der rollenden Sendung kamen, waren FDJ-Mitglieder, die 1949 zu den Weltfestspielen der Jugend nach Ungarn reisten. Ein Packwagen ihres Sonderzugs wurde zu einem Hörfunkstudio umfunktioniert. Die Moderatoren mussten die Tonarme auf die Schallplatten drücken, damit sie bei dem Rattern über die Gleise nicht aus der Spur sprangen.
    Bald war eine ganze Abteilung der Deutschen Reichsbahn dafür zuständig, die Passagiere mit politischer Propaganda und Nachrichten zu versorgen. Es gab sogar eigene ­Sendebahnabteile und mobile Tonbandgeräte. In den sechziger Jahren wurde der Zugfunk eingeschränkt. Nur noch die Urlauber im »Touristenexpress« (Tourex) wurden beschallt, auf ihrer Fahrt ans Schwarze Meer hörten sie Reiseinformationen, Sprachkurse und Rätselsendungen. Und auch in Bahnhöfen war der sozialistische Zugfunk aktiv: In sogenannten Kulturräumen konnten die Programme von wartenden Bahnfahrern gehört werden.



Kapitel 14
    Am Bahnhof:
    Â»Es fährt ein: der Regionalzug nach ›Fahrtziel nicht hinterlegt‹!«
    Als ein 27-jähriger Bayer an einem Samstagmorgen mit einem massiven Kater aufwachte, bot sich ihm ein ungewohnter Anblick. Von seinem Holzbett aus sah er eine Bahnoberleitung, ein rosafarbenes Bahnhofsgebäude, ein Werbeplakat der Diakonie, grauen Betonboden – und mehrere Polizisten. Am Vorabend hatte er mit Freunden im Nachbarort Warngau eine Party gefeiert. Wie er dann auf den Bahnsteig von Holzkirchen gelangt war, wäre wohl selbst mit nüchternem Kopf schwer zu rekonstruieren gewesen. Doch seine fiesen Zechkumpane hatten per Kamera alles für die Nachwelt dokumentiert: Nachdem der Mann friedlich eingeschlummert war, kamen sie auf die Schnapsidee, ihn samt Bett, Kissen und Decke per Auto­anhänger Richtung Bahn zu befördern. Keiner war mehr fahrtüchtig, deshalb zogen sie das Gefährt selbst.
    Am Bahnhof Warngau schließlich verfrachteten sie den Schlafenden in den nächsten Regionalzug der Bayerischen Oberlandbahn gen München. Da Personentransporte für Fahrgäste im eigenen Bett nicht vorgesehen sind, trugen Bahnmitarbeiter an der nächsten Haltestelle das komplette Ensemble nach draußen und verständigten die Polizei. Auf Bahnsteig 4 in Holzkirchen wachte das müde Partyopfer schließlich auf. »Er war zunächst befremdet, weil seine Umgebung sich geändert hatte«, berichtete ­Michael Janski, stellvertretender Dienststellenleiter
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