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Sophia oder Krieg auf See

Sophia oder Krieg auf See

Titel: Sophia oder Krieg auf See
Autoren: Jan Braband
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hielten und das Segel ausrichteten.
    Wieder blickte Corin nach oben, den Mast immer noch umarmend, da kam Bolt vorbeigestiefelt. Vielleicht auf dem Weg in die Kombüse, dachte Corin, um dem noch lebenden Abendessen den Kopf abzubeißen. Vielleicht aber auch nur, um einfach so irgendjemandem oder irgendetwas den Kopf abzubeißen.
    »Darf ich da mal hoch?«, fragte Corin den Schiffsmeister, ganz so, als ob er die Antwort nicht schon kennen würde. »Auf diesem Schiff wird gearbeitet, Junge«, grunzte Bolt, »nicht rumgealbert«, und schon war der Kapitän weiter gestampft.
    Corin dachte gar nicht daran, sich die Laune verderben zu lassen. Es kam ihm kurz in den Sinn, ob er nicht versuchen sollte, den Mast einfach aus dem Schiff herauszureißen - so viel Energie brodelte in ihm. Doch dann verwarf er die Idee. Es wäre schon etwas peinlich gewesen, wenn ihm das Kunststück womöglich gelungen wäre.
    Corin stürzte zur Backbordreling 34 und grinste die Sonne an. »Na komm schon Sonne«, brüllte er gen Horizont, und sein Kopf wurde vor Anstrengung fast so rot, wie die des untergehenden Himmelskörpers, »versteck dich nicht vor mir!«. Er reckte die Faust in die Höhe und Jonathan, der immer noch mit seinem Vater am Heck des Schiffes stand, hob nun peinlich berührt die Hand vor die Augen.
    »Ich krieg dich, dämliche Hexe, verstehst du?«, schrie Corin weiter über die Reling gebeugt, und die bebenden Adern an seinem Hals wurden dicker und dicker, »ich krieg dich!«.
    Doch dieses Mal war die Sonne schneller. Die Nacht hatte schon ihre Schuhe zugebunden und wartete auf ihren Auftritt.
    *
    Es war dunkel. Es war eng. Es roch nach fauligem Holz und in der Ecke hatte Jonathan einen Haufen mit irgendeiner Substanz gesehen, die für Kanalratten sicher zu den sieben Weltwundern gehörte. Das schien sich auch bereits herumgesprochen zu haben, denn das Trippeln der kleinen Biester hörte er ohne Unterlass. Wären da nicht die fünftausend anderen Lärmquellen gewesen, vom quietschenden Gebälk, über das Knarren jedes verdammten einzelnen Taues an Bord, bis hin zum dämlichen Klatschen des Wassers gegen die Bordwand, hätte er sich wohl die Mühe gemacht, unter der hiesigen Nagetierpopulation ein Massaker anzurichten.
    Warum musste das blöde Meer denn bitte immer genau gegen die Planke am Kopfende seines Bettes schlagen? Auch die Vorstellung, dass Corin das Meer sicherlich am nächsten Morgen gehörig zur Rede stellen würde, verbesserte seine Laune nicht. Jonathan wollte schlafen. Er musste schlafen. Er konnte nicht schlafen. Es war zum Verzweifeln.
    Jonathan hörte das Atmen seines kleinen Bruders und das leise Schnarchen seines Vaters. Schön. Sollten die beiden die Nacht in diesem Loch erholsam hinter sich bringen, er würde –
    Klonk.
    Jonathan spitzte die Ohren. Das war ein neues Geräusch. Er war sich eigentlich sicher, dass er jeden erzeugbaren Lärm an Bord dieses Schiffes bereits gehört hatte, aber dieses Geräusch war definitiv neu.
    Klonk.
    Vielleicht war es der Riesenkraken, der sich das Weltwunder der Ratten in der Ecke mal ansehen wollte. Nein, unwahrscheinlich.
    Schab.
    Ein kurzes Schleifen, als wenn jemand etwas Metallenes über das Deck zog. Jonathans Nackenhaare sträubten sich und von einem Moment zum anderen war ihm gar nicht mehr nach Rumalbern zumute.
    Klonk.
    Jonathan schwang sich aus dem Bett 35 , welches die Bezeichnung nicht verdiente. Leider war ein anderer Terminus für dieses Wrackmöbel noch nicht erfunden, Bett traf es aber definitiv nicht. Der junge Herr Giles war entschlossen, am nächsten Tag in Ruhe einen passenden Begriff zu entwickeln, wusste aber bereits, dass er zur Wahrung von Authentizität Anleihen aus den Namen gängiger Folterinstrumente vornehmen würde.
    Es war fast stockdunkel in der kleinen Kammer im vorderen Teil des Schiffes, nur ein wenig Mondlicht drang von einer geöffneten Luke ein und erlaubte Jonathan eine grobe Orientierung. Er schritt in Richtung Tür.
    Der Zugang zur Kammer führte direkt auf das Hauptdeck in der Mitte des Schiffes und Jonathan öffnete die Tür einen kleinen Spalt. Er lugte hinaus. Die Steuerbordseite des Schiffes war gut einzusehen, und dort war niemand. Kein Mensch zu sehen.
    Da! Weiter hinten, am Heck des Schiffes, huschten zwei dunkle Schatten. Jonathan öffnete seine Tür ein Stück weiter. Waren das Menschen? War das der Steuermann? Aber warum gingen die Schatten so gebeugt?
    Gerade als Jonathan die Tür noch weiter öffnen wollte, hörte er
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