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Sophia oder Krieg auf See

Sophia oder Krieg auf See

Titel: Sophia oder Krieg auf See
Autoren: Jan Braband
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in einiger Entfernung an ihm vorbei und schlug mit ungeheurer Gewalt in die Reling. Jonathan verfolgte den Weg des Geschosses und sah einen Piraten mit einer Armbrust auf dem fremden Schiff hoch oben in den Wanten stehen. Es gab nicht viel, was Jonathan da tun konnte und glücklicherweise war der Schütze nun mit einer aufwändigen Nachladeprozedur beschäftigt.
    Jonathan sprang aus seiner Deckung hervor und gesellte sich zu zwei Kombattanten vor ihm. Der junge, verängstigte Matrose der Maria Van Brügge hatte sichtbar Probleme, sich den massigen Piraten vom Leibe zu halten, der zu allem Übel seine Dominanz im Nahkampf mit einem gehässigen Grinsen auskostete.
    »Deckung!«, raunzte Jonathan den Matrosen an, stellte sich an dessen Seite und parierte in Vertretung einen Angriff des fülligen Seeräubers. Dem schien die neue Herausforderung durchaus gelegen zu kommen. Mit einem freundlichen »Ah!« nickte er Jonathan erst zu, dann wurde sein Blick umso grimmiger und die Intensität seines Angriffs umso brutaler. Der Matrose ließ sich erschöpft fallen und gönnte sich eine kurze Verschnaufpause, während Jonathan mit ein paar schnellen Paraden in die Offensive kam.
    *
    Bamm!
    Ein besonders dumpfer und lauter Knall ließ Corin zusammenfahren. Das Getöse von draußen war fast unerträglich, er spürte, fühlte, hörte, roch das Wüten draußen – und konnte nichts tun. Er war von seinem Bettwrack aufgestanden und hielt sich mit beiden Händen an einem Holzpfeiler in der Mitte der kleinen Kammer fest. Das Schiff schwankte, schaukelte, vibrierte, und die Öllampe an der Decke tanzte wie eine Fledermaus, der man eine saftige Schmeißfliege auf den Hintern gebunden hatte.
    Warum hatte sein Bruder ihm befohlen hier zu bleiben? Warum sah Jonathan immer noch den kleinen Bruder, nein, das kleine Kind in ihm? Corin war genauso begabt im Umgang mit dem Schwert und viel geeigneter für den Kampf als ihr Vater.
    Es war doch ein Kreuz, mit seinem großen Bruder, im wahrsten Sinne des Wortes. Jonathan war kein dummer Mensch, sicher, aber der jüngste Giles empfand es als profunden 36 Irrtum, dass sein großer Bruder nicht zu akzeptieren bereit war, Corin mehr als Mann, denn als Kind zu sehen. Ein profunder, tödlicher Irrtum. Ein Irrtum, den Corin Giles auf der Stelle korrigieren würde.
    Er schwang sich um den Holzpfeiler an die Waffenkiste, kniete nieder und zog ein Kettenhemd heraus. Gerade als Corin es sich überstülpen wollte, bemerkte er das hohe Gewicht, entschied sich spontan gegen die Rüstung und kramte in Windeseile ein festes Lederhemd hervor, in das er schnell hineinschlüpfte.
    Drei Kurzschwerter lagen noch in der Kiste. Für Corin keine Qual der Wahl: Zielsicher griff er eine blank polierte Cinquedea 37 , ein prächtiges Kurzschwert, das seinen Namen der fünf Finger breiten, reich verzierten Klinge verdankte. Das Heft der Waffe schmückte ein mit Ranken geprägter Ledereinsatz, der von einem Silberrahmen eingefasst wurde. Die kunstvollen Punzen 38 im Rahmen zeichneten das Prachtstück als eine Arbeit von Meister Winkel aus. Auf der rechten Seite war klein in lateinischer Sprache die Widmung »Tue Recht und habe Acht« und in der Zeile darunter »Anno 1395, Boulaide, für Corin Giles« eingraviert.
    Wie gut konnte sich der jüngste Giles an den Freudentaumel erinnern, als der dicke Winkel ihm die Cinquedea überreicht hatte. Corins Vorschlag, mit der neuen Waffe gleich mal Jonathan umzubringen, zumindest ein bisschen, war in der Familie jedoch nicht sonderlich gut angekommen.
    Ein Wimpernschlag und Corin hatte die Klinge äußerst geschickt zweimal in der Waffenhand rotieren lassen. Dann stürzte er zur Tür.
    Er war fünfzehn Jahre alt und er war bereit für den Kampf.
    *
    Auf dem halbdunklen Hauptdeck herrschte Chaos. Rauch hatte die Sicht deutlich verschlechtert. Flammen schlugen aus einer Luke weiter hinten. Vor Corins Füßen lag ein toter Matrose der Maria Van Brügge. Direkt daneben lag ein toter Pirat und so wie die beiden Leichen einander zugewandt lagen, sah es aus, als ob sich ein unmögliches Ehepaar zur Nachtruhe auf das Deck begeben hatte.
    Corin suchte angestrengt Bruder und Vater im verrauchten Dunkel zu erkennen, aber im Getümmel waren sie nicht auszumachen. Bis an das Ende des Schiffes reichte die Sicht bei Weitem nicht.
    »Bist ein bisschen jung zum Sterben«, quiekte eine hohe Stimme direkt neben Corin. Der Junge schrak zusammen, hob sein Schwert, bereit die unbekannte Gefahr zu parieren. Ein
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