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Sonnenlaeufer

Sonnenlaeufer

Titel: Sonnenlaeufer
Autoren: Melanie Rawn
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wie Krallen, die ein riesiges Juwel hielten. Die Schüssel bebte und leuchtete. Eine Brise, die durch die offenen Fenster wehte, verlöschte die meisten der dreihundert Lampen und blähte den Drachenvorhang hinter dem Ehrentisch.
    »Bei der ERDE , die uns umfängt und aus der diese Schüssel gemacht ist; beim WASSER darin, das uns unser Leben schenkt; beim FEUER , das unsere Welt erhellt; bei der LUFT , die unser Atem ist.« Sie hielt die Schüssel über die beiden gesenkten Köpfe. »Im Namen all jener, die in diesem Lande leben, verpflichte ich diesen Mann und diese Frau: Setzt Eure Gaben rechtmäßig ein. Gehorcht den Gesetzen. Ringt um Weisheit. Sucht in Euren Seelen die Wahrheit. Bescheidet Euch in Augenblicken größten Glanzes. Kämpft nicht um persönliche Gewinne. Schützt das Land und alle, die darin leben. Liebt sie, wie Ihr Euch liebt. Werdet Ihr das alles tun?«
    »Das werden wir«, antworteten sie.
    Sie hielt Rohan die Schüssel hin. Er trank und reichte sie an Sioned weiter. Sie nippte und hielt sie weiter fest, als Andrade erneut sprach.
    »Hiermit ernenne ich Euch denn im Namen der Göttin und des Vaters der Stürme zum Hoheprinzen und zur Höchsten Prinzessin.«
    Die Lady streckte die Hände nach der Schüssel aus, aber der Prinz und die Prinzessin hatten sich geeinigt, das Ritual zu verletzen. Sioned stellte die Schüssel auf die blauen und grünen Kacheln. Es war noch ein wenig Wasser darin, ein Hauch von Luft wirbelte, ein Hauch von Lichtläufer-Feuer tanzte auf dem Rand. Rohan sah, wie Andrade flüchtig die Stirn krauste, ehe er sich Sioned zuwandte, um zu beobachten, wie seine Prinzessin die Hände über die Schüssel reckte. Sioneds Smaragd, der einzige Ring, den sie je wieder tragen würde, spie grüne Flammen in die Dämmerung; die Kaskade ihres feuergoldenen Haares schimmerte.
    Die Schüssel fing Feuer.
    Rohan sprach in die Stille hinein: »Dies ist das erste der neuen Gesetze. Niemand soll einen Drachen töten. Nicht aus Sport, nicht aus Grausamkeit, weder aus Angst um seinen Besitz noch aus irgendeinem anderen Grund soll irgendjemand einen Drachen töten. Wer immer dieses Gesetz bricht, verwirkt die Hälfte seines Besitzes, den er an uns auszuliefern hat für seinen Angriff gegen uns, denn wir betrachten das Töten eines Drachen als ein Schwert, das gegen uns persönlich erhoben wurde.«
    Er wusste, dass sie entsetzt waren, aber es kümmerte ihn nicht. Der Reichtum, den dieses Gesetz sicherstellte, würde ihnen zugutekommen. Auch wenn sie das nie verstehen würden.
    Als er sprach, fing der Kessel aus Drachengold an zu kochen. Flammen erhoben sich zu einer mächtigen Beschwörung, und die Luft vibrierte unter dieser Vision. Aus dem Orange und Gelb und Silber, das sich dort wand, entstand ein Drache, fast deckenhoch. Die Spitzen seiner Schwingen waren Flammen, die Krallen sprühten Feuer, die Augen brannten blau und grün und wieder blau, und der Kopf des Drachen zuckte zur Decke empor. Die feurige Erscheinung schlug mit den Flügeln, stieg empor, schwirrte durch die Luft und verschwand im Wandteppich. Sie verschmolz mit dem stilisierten, gekrönten Drachen, der einen Faradhi -Ring mit einem Smaragd hielt.
    Rohan konnte später nie sagen, wer den Ruf anstimmte – vielleicht einer seiner eigenen Leute. Aber die höhlendunkle Große Halle erbebte davon.
    Azhei . Drachenprinz.
    Sioned stützte sich auf die weichen Kissen. Die Spitzen an ihrem Nachtkleid waren geöffnet, und sie lächelte, als Rohan ihr ihren Sohn an die Brust legte. Er setzte sich neben sie und streichelte mit einem Finger das blonde Haar des Babys.
    »Andrade wird sich nicht so schnell davon erholen, wie du ihre Zeremonie gestört hast«, bemerkte er mit mildem Vorwurf.
    »Es war unsere Zeremonie, nicht ihre. Sie hat uns weder ein Prinzenreich gewonnen noch einen Sohn eingebracht.«
    Er teilte ihre Vorbehalte. »Ich finde nicht, dass sie irgendeinen Grund hat, unglücklich zu sein. Wir machen schließlich ihren Prinzen einer neuen Art.«
    »Rohan …« Sie zögerte, und er ermutigte sie, indem er ihre Schulter streichelte. »Wenn ich es gewesen wäre, die Pol ausgetragen und zur Welt gebracht hat, dann wäre er in gewisser Weise auch Andrades Kind gewesen. Aber so gehört er nur uns. Verstehst du? Das, was wir getan haben – haben wir für uns getan, nicht um einen Faradhi -Prinzen für sie zu schaffen.«
    Er nickte, denn für Sioned war dies die Wahrheit. Aber ebenso wahr war, dass sie es für die Zukunft getan hatten, die
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