Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer
Autoren: Patricia Shaw
Vom Netzwerk:
nach dem Kookaburra, dem lachenden Vogel, dem Schlangentöter, dem Schlangenfresser? Er war ein mächtiges Totem, sehr viel mächtiger als diese an das Land gebundenen Schlangen. Sie verwandelte sich in eine Seeschlange, und ihr schlanker Körper schnellte nach vorne, entschlüpfte ihnen und floh ins flache Wasser. Eine Welle glitt über sie hin; sie sammelte ihre Kräfte, streckte sich und schoß wie ein Speer in die Tiefe.
    Das blausilberne Wasser in der Bucht des großen Flusses verbarg sie, als sie untertauchte. Geschmeidig glitt sie über das Korallenriff, bis ihre Lungen zu bersten drohten und sie zwangen, wieder an die Wasseroberfläche zu steigen.
    Die plötzliche Wärme beim Auftauchen sagte ihr, daß die Sonne immer noch am Himmel stehen mußte, aber ihre Augen sahen das Licht nicht. Neues Entsetzen packte sie. Die bösen Geister hatten ihr die Kraft der Augen genommen! Würde sie nun für immer im Finstern wandeln müssen? So wie ihr Bruder Meebal, den man führen und füttern mußte, weil seine Augen von dem Giftbaum zerstört worden waren, als er noch ein kleiner Junge war, und der nun hinter abscheulich weißen, leeren und immer tränenden Augen lebte.
    Die Furcht ließ ihr keine Zeit, sich lange über ihre Blindheit zu bekümmern. An der Bewegung der Wellen erkannte sie, daß sie ihr Gesicht der Küste zugewandt hatte. Der Wind trug schauerliche Stimmen an ihr Ohr, die ihr zuflüsterten, daß die bösen Geister immer noch da waren und im Meer nach ihrer Beute suchten. Sie tauchte wieder hinab in eine Spalte zwischen den Korallen. Die Tiefseeschlangen brauchten nicht sehen zu können, um dem scharfkantigen Fels auszuweichen, an denen sie sich verletzen konnten, und das galt auch für Kagari.
    Fische schwammen ganz dicht an ihr vorbei; das warme Wasser und die Stille beruhigten sie. Als ein gewaltiger Fisch sie leicht mit dem Maul anstieß, wurde sie einen Augenblick von Furcht ergriffen. War es etwa ein Hai? Doch dann erkannte sie, daß es sich um einen dicken Mutterfisch handelte, größer als sie selbst, der nur Gesellschaft suchte.
    Kagari ließ die Hände über den Rücken des Fisches gleiten, um sicherzugehen, daß sie wirklich keinen Hai vor sich hatte – die Rückenflosse hätte es ihr verraten. Ihr Leichtsinn ließ sie übermütig werden. Wenn es tatsächlich ein Hai gewesen wäre, hätte er keine Zeit mit solchen Spielereien verschwendet – seine gewaltigen Zähne hätten sie schon längst in Stücke gerissen. Nein, dies hier war eine Seekuh, das zahmste Meerestier, abgesehen von den langnasigen, quietschenden und lächelnden Delphinen, die stets im Schwarm umherschwammen. Sie klammerte sich an die Seekuh und ließ sich von ihr in Richtung Wasseroberfläche ziehen. Wo waren die Leute ihres Stammes? Sicher würde man sie vermissen und nach ihr suchen. Man würde ihren Korb mit Fischen am Strand finden und wissen, daß sie ihren Fang niemals der Sonnenglut oder den Seevögeln überlassen hätte.
    Kagari schüttelte den Kopf, daß die Wassertropfen flogen, und rieb sich die Augen. Verzweifelt versuchte sie zu sehen. War dies ein Alptraum? Ein finsterer Traum, in dem sogar ein Schreckensschrei unhörbar blieb? Aber ihre Füße traten doch Wasser, und sie atmete die Luft ein! Nein, das war kein Traum, sondern Wirklichkeit, und sie trieb weit draußen vor der Küste. Sie war noch zu verängstigt, um sich von den Wellen ans Ufer tragen zu lassen. Zuerst mußte sie sich wieder beruhigen, diese schreckliche Furcht vertreiben und abwarten. Kagari war stark. Ihr Vater Wogaburra hatte viele Kinder, aber sie war sein Liebling, denn er wußte, daß die Götter der Traumzeit ihr einige seiner magischen Fähigkeiten verliehen hatten, nicht alle selbstverständlich, das wäre nicht schicklich gewesen, aber jedenfalls genug, so daß sie sich von den anderen Kindern unterschied, wie es auch ihm als Knabe ergangen war.
    Wogaburra war von höherem Wuchs als die übrigen seines Stammes, und ein kühner Krieger und Jäger. Doch die Ältesten hatten bald erkannt, daß er auch ein weiser Mann war. Sie führten ihn in die Welt der Geheimnisse ein. Bald konnten sie die Augen nicht mehr davor verschließen, daß Wogaburra wirklich ein Zauberer war. Er besaß Kräfte, die über ihren Verstand hinausgingen, war ein Mann, dem die Achtung aller Irukandji gebührte. Inzwischen wurde er im ganzen Land gefürchtet, denn sein Zauber konnte heilen oder töten, Glück oder Unglück bringen und Unheil vorhersagen, um sein Volk
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher