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Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer
Autoren: Patricia Shaw
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Auspeitschung anordnen müssen, und er verabscheute Gewalt.
    Im Beisein des zweiten Maats Henry Tucker und seiner Frau Augusta, die ängstlich in einer Ecke des Tagesraums saß, unterzog er Dutchy und Kemp einem ausführlichen Verhör.
    »Wir fanden den Flußlauf«, erklärte Dutchy, »indem wir uns einfach geradeaus einen Weg bahnten. In dem dichten Busch hätte es sowieso keinen Sinn gehabt, nach markierten Bäumen zu suchen. Ich dachte, es wäre ganz einfach. Wir fanden eine Quelle, tief genug, um die Fässer einzutauchen. Eins hatten wir gerade gefüllt, und Mr. Swallow stand auf. Ich schwör’s, Käpt’n, ich hab nichts gehört und nichts gesehen, und wumm! Dieser verdammte Speer ist aus dem Nichts gekommen und ging mitten durch seinen Hals. Also bin ich, so schnell ich konnte, den Pfad wieder zurückgerannt.«
    »Ihr habt ihn einfach dort liegenlassen?« fragte Tucker. »Hätten wir ihn erst begraben sollen?« knurrte Dutchy wütend. »Wenn man hier sitzt, kann man leicht mutig sein. Und dumm. Natürlich bin ich weggerannt, ich hab nicht mal mehr die Machete mitgenommen.«
    »Warum war George nicht beim Boot?« fragte der Kapitän. Schon wieder.
    »Er schlenderte gerade ein bißchen am Strand entlang«, erwiderte Billy. »Es ist nicht meine Aufgabe, ihm zu sagen, was er tun soll. Außerdem hatte er den Revolver.«
    »Warum hat er ihn dann nicht benutzt?«
    »Er war zu sehr damit beschäftigt wegzulaufen, Käpt’n.«
    Beckmann war überzeugt, daß irgend etwas an Billy Kemps Geschichte nicht stimmte; der Kerl wich seinem Blick aus. Andererseits war er wahrscheinlich noch immer ganz verstört, denn es mußte ein schreckliches Erlebnis gewesen sein.
    Tucker kratzte sich an seinem roten Bart und beugte sich vor. »Wenn er auch nur einen Schuß auf diese Wilden abgegeben und einen von ihnen getroffen hätte, wären sie in die Flucht geschlagen worden.«
    »Stimmt, aber erklären Sie das mal George«, murmelte Billy. Beckmann war besorgt. Es erschien ihm feige, einfach davonzusegeln und keinen Versuch zu unternehmen, die Leichen zu bergen und den beiden Männern ein angemessenes Begräbnis zukommen zu lassen, aber durfte er dafür das Leben der übrigen Männer aufs Spiel setzen?
    »Ich werde einen genauen Bericht verfassen«, sagte er, »und ihr beiden werdet ihn vor Zeugen unterschreiben.«
    In dem anschließenden Gottesdienst, den Beckmann für die Seelen der beiden tapferen Kameraden abhielt, die am Endeavour River heimtückisch ermordet worden waren, bat er den Herrn um Gnade für sie, da man ihnen in diesem Leben keine Gnade erwiesen hatte. Dann dankte er Gott dafür, daß er die beiden anderen Matrosen geschont hatte. Augusta stimmte einige Kirchenlieder an. Vor versammelter Mannschaft ordnete der Kapitän an, das letzte Trinkwasser rund um die Uhr zu bewachen. »Gott helfe uns«, sagte er. »Wir haben kaum noch Wasser; uns steht also eine schwere Zeit bevor. Segel setzen, Mr. Tucker.«
    Als Tucker seine Befehle brüllte, machte sich die Mannschaft eifrig ans Werk. Keinem von ihnen tat es leid, diesen schrecklichen Ort zu verlassen, deshalb brauchten sie für das Losmachen der Segel auch nur die Hälfte der sonst üblichen Zeit. Als Beckmann jedoch das Steuer ergriff, ertönte plötzlich der Ruf: »Mann über Bord!«
    »Was, in Gottes Namen, ist denn jetzt schon wieder los?« rief der Kapitän.
    Tucker eilte herbei.
    »Kein Mann über Bord«, keuchte er. »Da treibt jemand vor uns im Wasser. Vielleicht konnten Bart oder George doch noch abhauen.«
    »Unmöglich!« erwiderte Beckmann, aber er mußte auf Nummer Sicher gehen. »Stehen Sie hier nicht rum, Mann, holen Sie ihn raus!«
    Wieder wurde das Beiboot herabgelassen. Sie zogen aber nicht die Leiche von Swallow oder George aus dem Wasser, sondern ein Aborigine-Mädchen, ein kleines, schmächtiges Wesen.

3
    K agari sah das fremde Kanu und lief darauf zu, als die beiden Männer sich plötzlich auf sie stürzten; sie schienen aus dem Nichts aufgetaucht zu sein.
    Vor Schrecken war Kagari wie geblendet. So, als wäre die Sonne vom Himmel gerissen worden; nur ein klaffendes Loch blieb zurück, das sie zu verschlingen drohte, während sie in der plötzlichen Finsternis mit den bösen Geistern kämpfte. Dämonische Hände griffen nach ihr, wanden sich wie Schlangen um ihre Arme und Beine, zerrten an ihren Haaren, rissen sie hin und her und versuchten sie festzuhalten.
    Doch auch sie war in der Kunst der Schlangen bewandert. War sie denn nicht Kagari, benannt
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