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Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer
Autoren: Patricia Shaw
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verlassen. Als dann die Rufe der Seeleute ankündigten, daß die Segel gehißt wurden, war unter den Hunderten von Emigranten, die sich auf dem Weg in die neue Welt befanden, die Aufregung groß. Alle drängten sich an die Reling, um noch einen letzten Blick auf die Verwandten am Kai zu erhaschen.
    Augusta hatte niemanden, der ihr nachwinkte, und so folgte sie dem Steward in ihre Erste-Klasse-Kabine. Solange die meisten Passagiere noch an Deck waren, konnte er sich voll und ganz ihr widmen. Neugierig musterte er sie, während sie ihre Koffer zählte.
    »Ist die Kabine zu Ihrer Zufriedenheit, gnädige Frau?«
    »Wunderschön! Welch ein Luxus!«
    »In dieser Ausstattung gibt es nur vier auf dem Schiff«, entgegnete er stolz. »Es wird eine lange Überfahrt werden, aber in einer solchen Kabine ist es für Sie bestimmt weniger strapaziös.«
    »Für eine Frau in meinem Alter«, ergänzte sie lächelnd. »Wollen Sie sich über mich lustig machen, mein Junge? Mein lieber Mann war ein berühmter Hochseekapitän und genoß in Australien hohes Ansehen.«
    »Ach so, dann sind Sie also auf Entdeckungsreise und wollen sich das Land ansehen, das Ihr Mann so gut kannte?«
    »Keineswegs. Ich fahre nach Hause. Ich kenne diese Route bestens.«
    Er war beeindruckt. »Wenn Sie etwas brauchen, klingeln Sie. Ich würde gern mehr über dieses neue Land erfahren, denn ich habe mir schon überlegt, ob ich nicht auch auswandern soll.«
    »Gut, dann wird uns ja in den kommenden Monaten der Gesprächsstoff nicht ausgehen. Früher bin ich seekrank geworden, aber das habe ich jetzt wohl überwunden. Erst mal will ich mich ein wenig ausruhen. Würden sie mich zum Abendessen wecken?«
    »Gewiß, gnädige Frau.«
    Als er den Raum verlassen hatte, gab Augusta ihre aufgesetzte Fröhlichkeit auf. Sie setzte sich aufs Bett und hing ihren düsteren Gedanken nach. Obwohl das Schiff in Hamburg ablegte, hatte es ihre Schwiegertochter nicht für nötig gehalten, sie zum Hafen zu begleiten. Noch viel mehr betrübte sie, daß nicht einmal die beiden Kinder ihr nachwinken durften. Ihren Enkelkindern hätte es sicher großen Spaß gemacht, dieses prächtigste Schiff der deutschen Flotte zu erkunden. Aber nein! Helga, die ihr in den letzten Jahren jeden Bissen mißgönnt und sie in ein dunkles Hinterzimmer verbannt hatte, war nur froh, daß sie fortging.
    »Gut«, sagte sie zu sich. »Das hätten wir also hinter uns.«
    Sie nestelte an ihrer großen Handtasche und kramte zwischen Taschentüchern, Pillendöschen und Zetteln einen Brief hervor. Als sie ihn öffnete, seufzte sie laut auf. Das tat sie immer, wenn sie ihn las, und wie üblich zitterte auch wieder ihre Unterlippe. Der Brief war so abgegriffen, daß er an den Falzstellen schon brüchig wurde, aber das machte ihr nichts aus, denn sie kannte ihn ohnehin schon auswendig. Jedesmal, wenn sie ihn wieder las, wurde sie von einer tiefen, unbändigen Freude erfaßt. Der Brief hatte sie gerettet, gerade als sie gedacht hatte, daß ihr Leben sinnlos geworden sei, als sie mit dem Gedanken gespielt hatte, ins Meer hinauszuwaten und sich von den Wogen forttragen zu lassen. Es war schon schlimm genug gewesen, sich als unnützen Esser behandeln lassen zu müssen. Doch nie hätte Augusta gedacht, daß es noch schlimmer kommen konnte, daß sie plötzlich Helga, die sie mit Drohungen zu vertreiben suchte, allein gegenüberstehen würde.
    Zufrieden las sie den Brief ein weiteres Mal:
    Haus Nummer Vier
    Kangaroo Point
    Stadt Brisbane
     
    Liebe Missus
    Ihr Brief, in dem Sie mir berichteten, daß Ihr Sohn unsere Welt verlassen hat, erfüllt mich mit tiefer Trauer. Aber auch mit großer Sorge. Ich kann Ihre Verzweiflung nachfühlen. Es ist eine Schande, daß Sie Ihrer Schwiegertochter ausgeliefert sind, die keinerlei Achtung vor Ihnen hat. Bitte verzweifeln Sie nicht. Ich liebe und achte Sie wegen der Großzügigkeit, mit der Sie mich aufgenommen haben, und diese Gefühle werden sich bis an mein Lebensende nicht ändern. Das Glück war mir auf eine Weise hold, die ich jetzt nicht erklären kann. Ihr Mädchen ist reich, sehr reich sogar. Aber das muß unter uns bleiben. Die Herren auf der Bank haben mir eine Geldanweisung für Sie ausgestellt, die ich diesem Brief beifüge. Sie beläuft sich auf eintausend Pfund. Ich hoffe, Sie nutzen diese Summe, um eine Überfahrt nach Brisbane zu buchen. Ich habe unter obiger Adresse ein Haus gekauft und möchte Sie bitten, nach Hause zu kommen und bei mir zu bleiben. Das Haus wird Ihnen
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