Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer
Autoren: Patricia Shaw
Vom Netzwerk:
sie umher und suchte nach dem toten Jungen; sie rief so oft nach ihrem Harry, daß die Papageien, diese unverbesserlichen Spaßvögel, ihren Ruf nachahmten. Kleine Wellensittiche kreischten mit ihren komisch piepsenden Stimmen: »Harry! Wobisduharry.« Auch die Kakadus hatten es schnell gelernt und machten ihre Sache noch besser. Sie waren zahm wie Hühner und äußerst neugierig, und so saßen sie in den Bäumen oder wühlten vor dem Haus im Staub und riefen dabei glockenrein im Chor: »Harry! Hallo Harry! Komm heim, Harry!« Das allein schon hätte jeden in den Wahnsinn getrieben. Und Regen? Sie wußten gar nicht mehr, was das war. Sie vergaßen, wie Gras aussah, denn überall gab es nur Staub, Staub und noch einmal Staub. Und als das letzte Schaf gestorben war, ging sein alter Herr hinunter zu dem ausgetrockneten Flußlauf und erschoß sich.
    »Sachte jetzt«, sagte Bart Swallow, »haltet die Augen offen. Die Gegend sieht zwar verlassen aus, aber man weiß ja nie. Die Flut kommt, also bleibt diesen Felsen fern und steuert auf den Strand zu. Vorsichtig, das Boot nur langsam aufsetzen.«
    »Glaubst du, daß es hier Schwarze gibt?« fragte George. »Wir bleiben nicht lange genug, um das herauszufinden«, erwiderte Swallow kurzangebunden.
    Sie zogen das Boot an den Strand und warfen die drei Fässer an Land. »Ich passe auf das Boot auf«, sagte Billy schnell. Er hatte keine Lust auf einen Spaziergang durch den Dschungel; dort wimmelte es von Schlangen.
    »Hier gebe ich die Befehle, Kemp«, wies ihn Swallow zurecht. »Du kommst mit, Dutchy, ich brauche dich zum Fässerschleppen. Und ihr zwei bewacht das Boot.« Er nahm zwei Macheten und gab Dutchy eine davon. »Wie’s aussieht, müssen wir uns erst einen Weg bahnen.«
    »He, wie sollen wir denn das Boot bewachen, wenn wir gar keine Waffe haben?« fragte Billy. »Sollen wir vielleicht mit Sand werfen, wenn wir angegriffen werden? Gib mir den Revolver.«
    »Er hat recht«, bemerkte George. »Wir hätten mehr Waffen mitnehmen sollen.«
    »Die brauchen wir nicht.« Swallow legte sein Pistolenhalfter ab. »Gut, ich lasse euch den Revolver da. Nimm du ihn, George. Hier ist die Munition. Wenn ihr uns braucht, feuert einen Schuß ab, und wir kommen dann, so schnell wir können.«
    Billy lachte abfällig, als sie im Busch verschwanden. »Dieser Swallow ist doch einfach zu nichts zu gebrauchen. Erst hat er das Wasser vergessen, und jetzt vergißt er die Gewehre. Komm, gehen wir in den Schatten, hier wird man bei lebendigem Leib geröstet. Der Sand glüht ja.«
    Sie folgten den anderen ein Stück am Strand entlang und ließen sich auf einem Büschel Seegras nieder. Swallow und Dutchy waren in dem undurchdringlichen Buschwerk, durch das sich gewaltige Schlingpflanzen zogen, verschwunden, aber Billy und George hörten, wie sich die beiden einen Weg landeinwärts bahnten. Billy hoffte, sie würden nicht zu lange brauchen, schließlich war das hier kein Picknick. Er sah zu, wie George sich das Halfter umschnallte und den Revolver untersuchte. »Ist er geladen?«
    »Natürlich.«
    »Dann paß auf, daß du dir nicht deinen verdammten Fuß abschießt! Gib ihn mir!«
    »Halt den Mund! Ich kann schießen. Du denkst, du weißt alles, Kemp, aber ich wette, du könntest nicht mal ’ne Krähe treffen.«
    »Ich wette gegen eine goldene Uhr, daß du keine Krähe triffst«, sagte Billy träge. »Diese Vögel haben mehr Hirn als du, Kumpel.«
    Er lehnte sich gegen einen Baum und beobachtete mit einem Auge das Boot. Schießen? Jeder konnte schießen. Außer seinem alten Herrn. Der hatte nicht mal das hingekriegt. Billy – er war damals zehn – hatte geschrien und geweint, als er zum Flußlauf kam und seinen Vater dort liegen sah: das halbe Gesicht weggeschossen und überall Blut. Er hatte sich neben seinen Vater in die Blutlache gekniet und ihn umarmt. Da hatte er bemerkt, daß das eine Auge flehentlich zu ihm hinaufstarrte! Er lebte noch! Was für eine verdammte Scheiße! Es war schrecklich, sich immer wieder daran zu erinnern. Billy hatte sein Gewehr genommen und dem Ganzen ein Ende gemacht. Er mußte es tun. Man erschoß ja auch sterbende, kranke und blinde Schafe.
    Mein Gott, war er durstig! Sein Mund war staubtrocken. Er stand auf, ging im Schatten am Strand entlang und hielt Ausschau nach einer Kokospalme. Ein Schluck Kokosmilch wäre jetzt genau das Richtige, aber weit und breit war keine Palme zu sehen. »Tja, wer hätte das gedacht?« murmelte er vor sich hin. »Vom Schiff sieht es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher