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Somniferus

Somniferus

Titel: Somniferus
Autoren: Michael Siefener
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der Tür
lauerte. Ich wollte ihm schon zurufen, er solle sofort
zurückkommen, doch dann zuckten Neonblitze auf und
unzählige brummenden Röhren an der Decke füllten sich
mit kaltem Licht. Die hallenden Schritte verstummten sofort. Auch
schien mir, dass der Geruch schwächer wurde. Er
verflüchtigte sich jedoch nicht ganz.
    »Die Sachen sind nach Fundorten sortiert«, sagte Dr.
Kuffel. »Das meiste in diesem Raum kommt aus Neumagen-Dhron.
Ganz hinten sind noch ein paar andere Ausgrabungen, aber das, was Sie
interessiert, befindet sich hier vorn – bis zu dem Sarkophag da
hinten. Und jetzt wünsche ich Ihnen viel Glück. Es
würde mich freuen, wenn Sie mir nachher von Ihrem Erfolg
berichten könnten.« Er wandte sich ab und verließ das
riesige unterirdische Gewölbe.
    Wir hörten, wie er uns einschloss. Jetzt waren wir ganz
allein – allein mit uns und dem, was wir finden mochten.
    Es war eine langwierige und vor allem sehr anstrengende Suche,
denn viele Fundstücke waren verdammt schwer. Bei den meisten
befanden sich kurze Dossiers, die uns die Arbeit sehr erleichterten.
Doch nirgendwo tauchte der Name Somniferus auf. Schließlich
aber kamen wir zu den Fundstücken aus einem Tempel, der dem
beiliegenden alten und verstaubten Dossier zufolge keiner bestimmten
Gottheit zugeordnet werden konnte. Aus den Inschriften war der Name
der Gottheit herausgemeißelt worden, und alles, was konkret an
sie erinnerte, war getilgt.
    War es nur Einbildung, oder waren die Schatten hier wirklich
hartnäckiger als in den anderen Gegenden des Gewölbes? Sie
schienen an den vielen Scherben und zerbrochenen Steinen regelrecht
zu kleben.
    »Siehst du das auch?«, fragte ich Lisa.
    Diesmal wusste sie sofort, was ich meinte, und nickte. »Wir
scheinen am Ziel zu sein«, flüsterte sie. Plötzlich
sprang sie auf und schaute in die Ecke hinter dem Sarkophag –
als sehe sie dort etwas. Sie versteifte sich, als erwarte sie einen
Angriff.
    »Was ist los?«, fragte ich nervös.
    »Hörst du das nicht?«
    Nein, ich hörte es nicht. Diesmal nicht. Ich schüttelte
den Kopf. Dann schien das Geräusch auch für sie nicht mehr
wahrnehmbar zu sein. Sie bückte sich wieder und gemeinsam
untersuchten wir die Überreste dieses rätselhaften
Tempels.
    Es gab zerbrochene Säulen, unlesbar gemachte Inschriften,
Fragmente eines Altars – und einige Scherben, die
möglicherweise von einer Statue oder Statuette stammten, doch es
waren zu wenige, als dass man sie hätte zusammensetzen
können. »Ob das hier die Statue ist, die wir suchen?«,
fragte ich voller Zweifel.
    »Wenn ja, dann können wir Harder leider nicht den Beweis
ihrer Existenz erbringen – dann war alles wirklich
umsonst.«
    »Sollen wir aufgeben?«, fragte ich resignierend.
    Lisa stellte sich vor mich und sah auf mich herab. »Sollen
wir alles aufgeben, was wir uns in den letzten Tagen geschaffen
haben?«
    Ich stand ebenfalls auf, nahm sie in den Arm und wir küssten
uns lange und leidenschaftlich. Dann machte sie sich von mir los.
»Nicht jetzt, nicht hier«, keuchte sie mit glänzenden
Augen. »Wir müssen die Zeit nutzen. Komm, wir suchen
weiter.«
    Schließlich fanden wir in einer Kiste einige
Bleiplättchen, in die lateinische Buchstaben eingeritzt waren.
Es lag ein Fundbericht bei, in dem stand: Vermuthlich
Beschwörungsformeln, gefunden in der Cella des zerstörten
Tempels.
    Einige der Texte auf diesen Bleiplättchen waren nicht mehr
lesbar, aber auf einem stand ganz deutlich: DEUS (der Name war
ausgekratzt), VIDEBAM IN MONTE IUDICIALI VIDEBAM IN NOIOMAGIO MIGRAVI
AD TEMPLOS DUOS TUOS ADIUVA SERVI TUI QUI TE ADVERSARIOS TUOS
DEFENDIT. HIC MORITURUS ILLIC VIVENS PER SAECULA SAECULORUM.
ADVERSARIOS MEOS OCCIDE. VICTIMAM HUMANAM FECI. Wortlos gab ich Lisa
das Plättchen.
    »Es ist sehr merkwürdig formuliert«, meinte Lisa,
»aber ich glaube, ich krieg’s raus.« Sie schaute
einige Zeit angestrengt auf die unbeholfen eingeritzten Buchstaben,
dann schließlich sagte sie: »Es ist sinngemäß
etwa so zu übersetzen: ›Gott‹ – hier fehlt der
Name, vielleicht war es Somniferus – ›ich sah dich im Berg
des Gerichts, ich sah dich in Neumagen, ich bin zu deinen beiden
Tempeln gepilgert, hilf deinem Knecht, der dich vor deinen Feinden
beschützt hat. Hier wirst du sterben, dort wirst du in alle
Ewigkeit leben. Töte meine Feinde. Ich habe dir ein
Menschenopfer dargebracht.‹«
    »Wie entzückend«, meinte ich. »Wir scheinen
auf der richtigen Spur zu sein.«
    »Keine Ahnung.« Lisa
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