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Somniferus

Somniferus

Titel: Somniferus
Autoren: Michael Siefener
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üppiges Frühstück mit
Brötchen, Spiegelei, Wurst, Käse, Marmelade, Toast,
Orangensaft und zur Feier des Tages einem Gläschen Sekt. Oft
stahlen sich unsere Hände ineinander und betasteten sich, als ob
sie – und wir – das Glück nicht fassen könnten.
Somniferus war weit weg.
    Nach dem Frühstück bummelten wir durch die Straßen
Triers; irgendwie hatten wir den Eindruck, als könne uns zwei
Frischverliebten nichts mehr passieren; kein Polizist könne uns
noch erkennen, da wir uns zu sehr verändert hatten – da wir
nicht mehr wir selbst waren.
    Wir kamen an die strenge, römische Palastaula des Kaisers
Constantin, an die das barocke Erzbischöfliche Palais
unmittelbar angebaut war – wie von einem Kind, das mit seinem
Bauklötzen jegliche Regeln der Baukunst und des guten Geschmacks
missachtet. Langsam durchquerten wir den Garten des Palais und
standen schließlich vor dem Rheinischen Landesmuseum. Bis zu
diesem Augenblick hatte keiner von uns über unsere Suche
gesprochen; wir hatten diese Gedanken verdrängt, doch nun
kehrten sie mit Macht zurück. Es war mir sogar, als zögen
plötzlich Schatten am wolkenlosen Himmel auf und verfinsterten
das Land. Ich sah, wie ein Mann mit einem winzigen Hund an der langen
Leine verdutzt hochschaute, als habe er es ebenfalls bemerkt und
könne sich dieses Phänomen nicht erklären.
    Ich hielt Lisa die schwere gläserne Eingangstür des
modernen Anbaus auf und betrat hinter ihr das Foyer. Es gab einen
kleinen Museumsladen, in dem hauptsächlich gute Reproduktionen
römischer Götterstatuetten verkauft wurden. Ich schaute sie
mir alle an, weil ich plötzlich eine verrückte Idee hatte.
Aber natürlich war Somniferus nicht darunter.
    Der Verkäufer – ein älterer Mann mit Halbglatze und
einer dicken Brille, die seine Augen froschähnlich
vergrößerten – sah uns aufmerksam an. Wir hatten uns
zwar gewaschen, aber unsere Kleidung sah noch immer reichlich
mitgenommen aus; außerdem hatte ich natürlich keinen
Rasierapparat zur Verfügung gehabt. Wir wandten uns von der
Verkaufstheke ab und gingen zum Kartenschalter.
    Nachdem wir zwei Eintrittskarten gekauft hatten, machten wir uns
auf die Suche. Wir nahmen jede Vitrine des großen, verwinkelten
Gebäudes, jeden Sarkophag und jede Grabstele in Augenschein,
ließen auch die wundervollen Mosaiken nicht außer Acht,
aber nirgendwo entdeckten wir einen Hinweis auf Somniferus. Ganz
offensichtlich hatte man entweder kein Heiligtum von ihm in Neumagen
gefunden, oder die Fundstücke schlummerten wirklich im
Depot.
    Nachdem wir vier Stunden lang das fantastische Museum abgesucht
hatten, sagte ich zu Lisa: »So kommen wir nicht weiter. Wir
müssen jemanden bitten, uns Zugang zum Depot zu
verschaffen.«
    »Das wird nicht so leicht sein. Man kann da nicht einfach
reinspazieren und die Aufseher können uns sicherlich nicht
helfen.«
    »Mal sehen«, erwiderte ich und sprach mit klopfendem
Herzen den nächsten Aufseher an, der uns begegnete.
    »Verzeihen Sie bitte, aber könnten Sie uns sagen, wie
wir zum Leiter dieses Museums kommen?«
    Der Museumswächter schaute uns abschätzig von oben bis
unten an, dann sagte er: »Ich wüsste nicht, was ihr von ihm
wollen könntet.«
    »Es geht um Ausgrabungen in Neumagen.«
    »Na und?«
    »Wir arbeiten an einer Monographie über eine
römische Gottheit, von der wir glauben, dass sie einen Tempel in
Neumagen hatte, aber es gibt im Museum nirgends einen Hinweis auf
sie. Wir haben aufgrund unserer Forschungen allerdings
herausgefunden, dass sie zur Zeit des Ausonius in Neumagen verehrt
wurde, da eine Interpolation in einem mediävalen Manuskript der Mosella eindeutig darauf hinweist.«
    Die Fremdwörter entfalteten nach einer kurzen Weile ihre
Wirkung. Das Gesicht des Wärters entspannte sich; nun schien er
uns wirklich als Wissenschaftler zu akzeptieren – wenn auch als
recht merkwürdige.
    »Dritter Stock, durch die Tür, auf der Kein Zutritt steht, dann viertes Zimmer rechts, Nummer 432.« Er tippte
sich an die Mütze und drehte weiter seine Runde.
    Das war die leichteste Übung gewesen, denn den
Museumsdirektor – oder zumindest denjenigen, der uns Zutritt zum
Depot verschaffen konnte – vermochten wir sicherlich nicht so
leicht zu blenden. Mit gemischten Gefühlen machten wir uns auf
den Weg nach oben.
    Wir fanden das Zimmer mit der Nummer 432 rasch. Ich klopfte.
    »Herein!« ertönte es von innen.
    Wir traten ein. Ein schwergewichtiger Mann mit einem langen,
dichten Bart betrachtete uns
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