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Sommerprickeln

Sommerprickeln

Titel: Sommerprickeln
Autoren: Mary Kay Andrews
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langes Küchenstreichholz und vergilbte Zeitungsblätter.
    Das Papier und den Reisig legte sie auf die halb verbrannten Scheite, entzündete das Streichholz und hielt es an die Zeitung, bis sie Feuer fing. Nach kurzer Zeit brannten auch die trockenen Zweige fröhlich. Annajane setzte sich auf die Sofakante, schaute zu und wartete, dass das Feuer größer wurde. Als es zu erlöschen drohte, suchte sie im Haus herum, bis sie ein altes Telefonbuch fand. Sie riss die Seiten heraus, knüllte sie zusammen und warf sie in den Kamin, hockte sich davor, um noch mehr Papier nachzuwerfen, falls das Feuer wieder an Kraft verlor.
    Schließlich fingen auch die Scheite an zu brennen. Annajane spürte, wie die Wärme sich zögernd in der feuchtkühlen Luft ausbreitete. Sie lehnte sich auf dem Sofa zurück, schaute zu und wartete. Worauf eigentlich? , fragte sie sich. Auf eine Art Läuterung? Eine Reinigung? Heilung? Hierherzukommen war ein Fehler gewesen. Sie stand auf, zog Masons Flanellhemd aus und warf es in die Flammen, die mit aufflackernden orangeroten Zungen darüber herfielen. Annajane stieg aus dem Fenster und zog es zu.
    Ohne einen weiteren Blick zurück war sie davongefahren.

    Nun, drei Jahre später, zwang sich Annajane, ihren Exmann zu betrachten, wie er dort am Altar stand und auf seine neue Braut wartete. Bei Masons und Celias Hochzeit dabei zu sein, war der letzte Schritt ihrer sich selbst verordneten Therapie. Es war die einzige Lösung. Und sobald das erledigt war, sobald sie hörte, wie Vater Jolly das glückliche Paar zu Mr und Mrs Mason Sheppard Bayless erklärte, konnte Annajane mit ihrem eigenen Leben weitermachen. Weit weg von Passcoe, der Bayless-Familie und dem guten alten Quixie, dem erfrischenden Durstlöscher.

    In Passcoe, North Carolina, gab es eine Redewendung: Wenn man in diesem Ort geboren war, der seit 1922 die Heimat von Quixie und dem gleichnamigen Getränkeproduzenten war, dann hatte man dieses Cola-Kirsch-Soda im Blut. Auf Annajane Hudgens traf das allerdings nicht so recht zu.
    Ihre Mutter Ruth behauptete immer, sie könne den Geschmack dieses Gebräus nicht ausstehen, aber Annajane wusste, dass es in Wirklichkeit die Bayless-Familie war, die einen schlechten Geschmack bei Ruth Hudgens hinterließ.
    Insgeheim fragte sich Annajane immer, ob ihre Mutter die Bayless’ so hasste, weil ihr Vater, Ruths erster Ehemann Bobby Mayes, von dem betrunkenen Fahrer eines Quixie-Lasters getötet worden war. Damals war Annajane noch keine zwei Jahre alt gewesen. Ein Jahr später hatte Ruth Leonard Hudgens geheiratet, der das kleine Mädchen in aller Stille adoptierte, als es vier war. Obwohl auch Leonard in der Firma arbeitete, erlaubte Ruth keine Quixie-Flaschen im Haus, und auf gar keinen Fall erlaubte sie ihrem einzigen Kind, diesen Mist zu trinken. Nein, für Annjane gab es Milch, Apfelsaft oder Wasser, aber kein Quixie.
    Daher konnte sie sich noch sehr gut an das erste Mal erinnern, als sie Quixie getrunken hatte. Es war im Kindergarten gewesen, als sie zum fünften Geburtstag von Pokey Bayless eingeladen worden war.
    Ihre Mutter hatte die in rosa Schrift verfasste Einladung direkt in den Müll geworfen. »Die halten sich für was Besseres als alle anderen«, hatte Ruth zu Leonard gesagt, und Annajane hatte es gehört. »Wahrscheinlich haben die unsere Kleine nur eingeladen, um uns rumkommandieren zu können.«
    »Verdammt, Ruth, die Mädchen gehen zusammen in den Kindergarten. Sie sind Freundinnen«, hatte Leonard erwidert. »Nur weil du die Eltern nicht leiden kannst, heißt das noch lange nicht, dass die Kinder nicht zusammen spielen dürfen.« Annajane hatte geweint und gebettelt, bis Leonard ihre Mutter am Ende überredet hatte und sie Pokeys Feier besuchen durfte.
    Es war eine richtige Kinder-Teeparty, und für diese Feier hatte ein Veranstalter einen großen runden Tisch auf der vorderen Veranda von Cherry Hill, dem weitläufigen alten Anwesen der Bayless’, in Tüll gehüllt.
    Der Tisch war gedeckt mit einem Kinder-Teeservice aus Porzellan, eines von Pokeys Geburtstagsgeschenken. Daneben lagen Stoffservietten und Gabeln aus echtem Sterlingsilber. Jeder der sechs Gäste – sämtlich Mädchen – bekam ein paillettenbesetztes silbernes Diadem und eine rosa Federboa. Und an jedem Platz auf dem Tisch stand eine eisgekühlte kleine Flasche Quixie mit einem rosa-weiß gestreiften Strohhalm in der Öffnung.
    Annajane konnte sich bis heute an den ersten kalten Schluck erinnern. Nie zuvor hatte sie
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