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Sommerprickeln

Sommerprickeln

Titel: Sommerprickeln
Autoren: Mary Kay Andrews
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Mason und Pokey die blauen Augen und das dunkelblonde Haar der Bayless’ hatten, schlug Davis als einziges der Kinder nach der Seite von Sallie. Er hatte die blitzenden dunklen Augen der Woodrows, das volle, gewellte dunkle Haar und die hohen Wangenknochen, von denen Miss Pauline immer behauptet hatte, sie seien das Erbe ihrer Cherokee-Vorfahren. Erwartungsvoll sah sich Davis in der Kirche um, zupfte am Kragen seines gestärkten weißen Hemds, grüßte nickend Freunde und Bekannte und zwinkerte verstohlen jemandem auf der linken Seite zu, zweifellos einer Frau.
    Pokey bemerkte das Zwinkern und machte ein missbilligendes Geräusch. »Ich hätte nicht gedacht, dass sie die Nerven hat, hier heute aufzutauchen. Anscheinend habe ich mal wieder den niedrigen moralischen Standard von Davis’ Damenbekanntschaften unterschätzt.«
    »Wer ist es denn?«, fragte Annajane interessiert und spähte zur linken Seite der Kirche hinüber.
    »Sie heißt Dreama, es ist nicht zu fassen. Arbeitet in der Abfüllanlage in Fayetteville. Noch keine zweiundzwanzig. Natürlich verheiratet.«
    »Natürlich«, wiederholte Annajane. »Weiß deine Mutter Bescheid?«
    »Gibt es irgendwas, das Sallie entgeht? Sie weiß Bescheid, aber sie tut lieber so, als merke sie nichts. Das Verdrängen von Tatsachen ist ihre Lieblingsbeschäftigung. Sie hat Davis gezwungen, Linda Balez zu fragen, ob sie an diesem Wochenende seine offizielle Begleitung sein will. Du kennst Linda doch noch, oder? Sie ist mit mir zusammen zum Debütantenball gegangen, ging dann zum Studieren nach Sweet Briar. Wohnt jetzt drüben in Pinehurst und arbeitet bei einem Steuerberater oder so.«
    »So eine große Brünette? Mit leichtem Überbiss? Ich glaube, mit der habe ich gestern Abend gesprochen.«
    »Genau die«, sagte Pokey und nickte. »Eigentlich ein liebes Mädchen. Mama hat darauf bestanden, dass sie im Gästezimmer bei uns zu Hause in Cherry Hill übernachtet, aber Davis hatte die gute alte Dreama natürlich in seiner persönlichen Flitterwochensuite drüben im Motel untergebracht.«
    »Ach, deshalb ist er gestern Abend so früh abgehauen«, sagte Annajane. »Ich bin um halb zehn nach draußen zum Auto gegangen, da flitzte er in seinem Boxter an mir vorbei. Auf dem Beifahrersitz saß eine Frau, aber es war zu dunkel, ich dachte, das wäre seine Begleitung.«
    »Aber nicht Linda«, gab Pokey zurück. »Die war heute Morgen nämlich beim Brunch im Haus, nur von Davis war nichts zu sehen, dem kleinen Schweinchen. Ich weiß ehrlich nicht, warum wir so was bei ihm durchgehen lassen, du?«
    »Das weiß ich auch nicht«, sagte Annajane leise.
    Sie schaute wieder zu den Trauzeugen hinüber. Pokeys Mann Pete hatte seinen Platz links von Vater Jolly eingenommen. Sein leuchtend rotes Haar wurde langsam grau an den Schläfen, sein Bart war sauber gestutzt. Der Smoking saß ihm wie angegossen, und sein breites Lächeln schien alle Gäste im Gotteshaus einzuschließen.
    »Ooooh«, stöhnte Pokey beim Anblick ihres Mannes. »Sieh dir dieses Prachstück an! Kann man den nicht auf der Stelle vernaschen? Das ist echt gemein. Ich schwöre dir, selbst wenn er mich nach so vielen Jahren, nach allem, was er mir schon angetan hat, fragen würde, ob ich jetzt mit ihm abhauen würde, würde ich sofort seine Hand nehmen, auf der Stelle mit ihm die Kirche verlassen, zum Wagen gehen und hätte in weniger als zehn Sekunden den Slip aus.«
    Die Matrone mit den violetten Haaren neben Annajane hielt die Luft an, griff an ihre vergilbten Perlen und rutschte noch einmal zehn Zentimeter nach rechts.
    »Nette Vorstellung«, flüsterte Annajane mit den Lippen an Pokeys Ohr. »Aber könntest du bitte etwas leiser sein? Ich glaube, eine der Bridge-Partnerinnen deiner Mutter hat gerade Herzrasen bekommen.«
    »Geschieht ihr ganz recht, wenn sie lauscht«, sagte Pokey. Sie lehnte sich zurück und betrachtete Annajane zum ersten Mal ausgiebig.
    »Du siehst superschick aus«, sagte sie und strich über den Ärmel von Annajanes Kleid. »Ist das neu?«
    Annajane schaute an ihrem Cocktailkleid hinab. Der Satinstoff hatte die Farbe jungen Farnkrauts und war körperbetont geschnitten: ein tiefer, viereckiger Ausschnitt, kleine stoffüberzogene Knöpfe, eine abgenähte Taille und ein breiter pinker Satingürtel mit großer strassbesetzter Schnalle rundeten das Bild ab.
    Sie lachte. »Nein, das ist echt Vintage, also nicht gerade neu. Obwohl ich nicht glaube, dass das schon mal getragen wurde. Hab ich letztes Jahr auf dem
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