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Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen

Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen

Titel: Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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einiger augenfälliger Gemeinsamkeiten – Olli und ich waren nicht nur Namensvettern, sondern stammten beide aus Ostwestfalen, wir waren beide annähernd zwei Meter groß und hatten beide blonde Haare – wurden wir gerne im Doppelpack als »die Ollis« bezeichnet und gelegentlich auch als »Kesslerzwillinge« diffamiert. Neben der phänotypischen Ähnlichkeit waren auch gewisse charakterliche Parallelen nicht von der Hand zu weisen: unsere handwerkliche Minderbegabung etwa. Unsere Neigung, bei allen praktischen Tätigkeiten, besonders bei Gartenarbeiten, eher brachial vorzugehen und tief sitzende Aggressionen auszuagieren. Unser Schicksal, uns als einzige männliche Mitglieder der Mannschaft auch für negentropische Arbeiten wie Aschenbecherleeren, Fegen, Spülmaschine einräumen und Staubsaugen zuständig zu fühlen, derweil die Datschenkollegen lieber Zeitung lasen, über die großen Weltläufe debattierten oder von Zeit zu Zeit in die Runde blafften: »Kann mal einer Kaffee machen?« Darüber stand Ollis und meine Neigung, all dies im Modus einer ironisch angereicherten Larmoyanz unablässig durchzukauen. Sich über die Verhältnisse zu beklagen, sie im Zwiegespräch immer aufs Neue in schillernden Farben zu beschreiben und vor allem zu übertreiben, das hatten wir Ollis als Freizeitspaß lieb gewonnen. Wir waren uns ja dessen bewusst, dass uns der Putz- und Aufräumfimmel nun einmal in die ostwestfälische Wiege gelegt worden war und dass wir, sollten die Ungerechtigkeiten nicht eingebildet sein, diese Verhältnisse mit unserem Lamento ja nur zementierten. Wir Ollis hatten nicht nur den gleichen Putz- und Aufräumfimmel, wir hatten auch die analogen Mechanismen, für unsere Psychohygiene zu sorgen.
    »Die Hölle, das sind die anderen«, zitierte Olli gelegentlich Sartre.
    »Und manchmal sind sie dann auch wieder der Himmel«, ergänzte ich gerne. Denn Olli und ich liebten dieses Datschenkollektiv. Wo sonst konnte man sich schon in einer so wunderbaren Umgebung so schön über seine Mitbewohner aufregen? Außerdem hätte unser Datschenkollektiv sicher nicht so lange gehalten, wenn die anderen nicht regelmäßig auch der Himmel gewesen wären: deutlich länger jedenfalls als die von Außenstehenden zu Beginn geunkten »keine sechs Monate«.
    Nach der letzten Tankstelle vor der polnischen Grenze bog Konrad in einen Feldweg, auf dem die Autokolonne eine weitere Viertelstunde dahinrollte. Der Weg bestand aus den typischen Betonplattenstreifen rechts und links und Staub dazwischen. Überhaupt hatte die Landschaft zunehmend ein osteuropäisches Gepräge oder besser gesagt: Hier sah es so aus, wie man sich die Ukraine vorstellt, wenn man noch nie dort war: eine eintönige Nutzackerfläche ohne Höhen und Tiefen. Eine Gegend, der man das Prädikat »Landschaft« gar nicht so recht zuerkennen mochte. Mit der »guten Verkehrsanbindung« im Exposé musste der Makler auf den eurasischen Fernverkehr in Richtung Ural angespielt haben. Die Szenerie erinnerte mich an einen populärwissenschaftlichen Artikel, wonach das Land Brandenburg hydrogeologischen Berechnungen zufolge in ein paar Hundert Jahren weitgehend ausgetrocknet und versteppt sein soll. Das müssen die Anfänge sein, dachte ich.
    Durch den von den Autos aufgewirbelten Staub zeichnete sich die Kontur eines gelben Hauses ab, vor dem eine dunkle Limousine parkte.
    »Das da etwa?«, fragte Simone im Halbschlaf.
    »Ich fürchte ja, das wird es wohl sein«, sagte ich mit langem Gesicht. Auch aus den anderen Autos schauten Das-da-etwa-Gesichter.
    Erfreuter blickte der Makler drein, was angesichts von fünf Autos, die schließlich doch noch den Weg in diese Einöde gefunden hatten, nicht verwundern konnte. Entweder war außer uns Verspäteten niemand hier, oder die anderen hatten sich gleich wieder aus dem Staub gemacht.
    Der Makler servierte uns einen der grundlegenden Kunstgriffe seiner Zunft: »Sie haben Glück, dass ich noch da bin. Der Ansturm war gewaltig, wir sind gerade eben erst fertig geworden … Nun, dann machen wir eben noch mal die Runde!«
    Im zähflüssigen Besichtigungsentengang betrat die Gruppe das eierlikörgelbe Gemäuer. Nach alter Gewohnheit schaute ich zunächst weniger auf das Objekt selbst als auf Simones Mienenspiel, die von sich sagte, sie habe ein Gespür für die positive beziehungsweise negative Energie, die sich in Gemäuern über die Zeit ansammle. Simone war gewissermaßen meine Immobilien-Energieberaterin. Diesmal machte sie schon vor dem
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