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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück
Autoren: Luanne Rice
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sich in der Mitte des Kreises die Hände, blickten sich an. Sie kannten sich schon ewig, genau wie ihre Großmütter vor ihnen. Nun waren Annie und Eliza an der Reihe, aufgeregt und ernst, die Hände unter ihren Händen zu verschränken, als Teil des nie endenden, unverbrüchlichen Kreises der irischen Schwestern.
    »Durch dick und dünn«, gelobte Tara.
    »Faugh a ballagh«,
unterstützte Bay sie beschwörend mit dem gälischen Schlachtruf ihrer Großmütter.
    »Fog-on-bailick«, sagte Annie, die Worte langsam wiederholend.
    »Was heißt das?«, erkundigte sich Eliza.
    »Aus dem Weg!«, übersetzte Tara.
    »Weil wir kommen?«, fragte Annie.
    »Genau«, meinte Bay, überwältigt von der Liebe zu ihrer Tochter und Eliza. »Weil man mit uns rechnen muss, stark wie wir sind.«
    »Die Schwesternschaft«, sagte Eliza. »Ich hatte noch nie richtige Schwestern.«
    »Keine von uns«, sagte Bay. »Außer Annie.«
    »Schwestern wie wir stehen sich oft näher als leibliche«, erklärte Tara.
    »Das kommt mir auch so vor«, erwiderte Eliza.
    Annie nickte selig, blickte von Eliza zu Tara und sah schließlich ihre Mutter an. »Wenn Pegeen zwölf wird, müssen wir sie auch aufnehmen.«
    »Wir werden auf sie warten«, sagte Bay, das Lächeln erwidernd.
     
    Eines Samstagmorgens hängte Bay draußen Wäsche auf; Eliza hatte am Vorabend bei ihnen übernachtet, und Joe und Tara waren mit allen Kindern zum Minigolf ins Pirate Cove gefahren. Die Sonne schien wieder, wie Tara es versprochen hatte. Sie wärmte Bays Kopf und ihre bloßen Arme, und Bay kostete jeden Strahl voll aus, genoss den herrlichen späten Frühling, während sie langsam die nassen Kleidungsstücke ausschüttelte und mit Klammern an der Leine befestigte.
    Sie fühlte sich selbst beinahe wie eine Blume, die nach einem langen Winter unter der Erde wieder zum Leben erwachte. Die Kleidungsstücke waren kühl an ihren Fingerspitzen. Die hölzernen Wäscheklammern klapperten beim Aufhängen. Alle ihre Sinne waren geschärft. Annähernd ein Jahr war seit Seans Verschwinden vergangen; damals hatte sie auch Wäsche aufgehängt. Sie war glücklich gewesen an jenem Tag – oder nicht? Sie hatte zumindest die sommerlichen Temperaturen genossen, ihr Leben zu lieben versucht.
    Aber es gab vieles, was sie nicht gewusst hatte. Geheimnisse, unter Schichten von Lügen verborgen. Bay war inzwischen klüger geworden. Sie hatte im letzten Winter einen Heilungsprozess durchgemacht, ihren Kindern geholfen, das Geschehene zu bewältigen, und sich geschworen, von nun an mit offenen Augen durchs Leben zu gehen. Das Rezept funktionierte, weil sie langsam begann, wieder Freude zu empfinden.
    Sie vernahm ein leises Plätschern in der schmalen Bucht hinter ihrem Haus. Sie drehte sich um und sah, wie vom Sund aus durch die Marsch kommend eine herrliche klassische Dory durch das Schilf und das spiegelglatte, stille Wasser glitt.
    Sie ließ den Wäschekorb fallen und rannte zum Ufer; ihre nackten Füße versanken im warmen Schlamm. Sie packte den Bug und zog das Boot ans Ufer.
    »Dan.«
    »Ich musste dich sehen – ich bin von der Werkstatt aus hierhergerudert.«
    »Die ganze Strecke?« Sie musterte den flimmernden Horizont.
    »Ich bin in aller Herrgottsfrühe aufgebrochen.« Er zog die Ruder ins Boot und sah Bay in die Augen. »Darf ich eine Minute raufkommen?«
    Sie nickte, und er stieg aus. Bay berührte die Seiten des Bootes, bewunderte das herrlich glatte Holz, die meisterhafte Verschalung, die blanken Teile, die dem Ganzen den letzten Schliff gaben. Dann blickte sie Dan an: Er trug Jeans, T-Shirt und einen um die Taille geschlungenen Pullover; er war braun, von Wind und Wetter gegerbt, seine blauen Augen wirkten so verletzlich, dass Bay es kaum ertragen konnte.
    »Warum bist du gekommen?«, fragte sie.
    »Wie hätte ich es noch länger ohne dich aushalten sollen?« Er trat einen Schritt auf sie zu.
    Bay wich zurück. Ihr Herz klopfte wie verrückt, und ihr Mund war trocken. Ihre Augen füllten sich plötzlich mit Tränen.
    »Bay, was ist?«
    »Ich dachte, ich würde den Winter nicht überstehen.«
    »Genau wie ich.«
    »Ich wollte dich die ganze Zeit anrufen. Ich wollte es wirklich.«
    »Ja?« Seine Augen strahlten.
    »Ja, sogar sehr. Wir sind eng zusammengerückt, nur wir vier – fünf, mit Tara. Um unser Leben wieder ins Lot zu bringen.«
    »Genau wie Eliza und ich.« Er nickte.
    »Und? Ist es dir gelungen?«
    »Ich glaube schon – besser als je zuvor. Es geht ihr blendend, und das ist
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