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Sommerflammen

Sommerflammen

Titel: Sommerflammen
Autoren: Sabine
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Goldkiefer zu seiner Linken. So um die dreißig Meter. Er war am Vortag hinaufgeklettert, hatte seine Haken in ihre Rinde geschlagen und aus der Höhe über den Wald hinweggesehen, mit Steigeisen gesichtert und angeseilt.
    Eine Herausforderung.
    Durch den Schnee- und Kiefernduft lief er zum Ver pflegungszelt, während das Lager langsam zu neuem Leben erwachte. Und trotz seiner Schmerzen und Blasen freute er sich auf das, was vor ihm lag.
    Kurz nach Mittag sah Gull zu, wie die Drehkiefer umfiel. Er schob seinen Helm so weit zurück, dass er sich den Schweiß von der Stirn wischen konnte, und nickte seinem Partner an der Ziehsäge zu.
    »Wieder eine, die ins Gras beißt.«
    Dobie Karstain brachte gerade so die geforderte Mindestgröße von einem Meter siebenundsechzig zusammen. Mit dem Bart und seinem braunen Haar sah er aus wie ein Waldschrat. Die Sicherheitsbrille ließ seine funkelnden Augen noch größer wirken.
    Dobie fuchtelte mit der Kettensäge. »Komm, lass uns Kleinholz aus ihr machen.«
    Sie arbeiteten im Gleichklang. Gull hatte Dobie für einen Wackelkandidaten gehalten, aber der Bursche aus Kentucky war kräftiger und zäher als gedacht. Er mochte ihn, obwohl der eine ziemlich rustikale und konservative Weltanschauung hatte, und bemühte sich um ein freundschaftliches Verhältnis.
    Wenn Dobie das Aufnahmetraining bestand, war es nicht unwahrscheinlich, dass sie in Zukunft wieder gemeinsam mit Säge und Schaufel arbeiten würden. Und zwar nicht an einem klaren, strahlenden Frühlingsmorgen, sondern inmitten eines Feuers, wo Vertrauen und Teamwork genauso unverzichtbar sind wie eine scharfe Pulaski - ein Werkzeug, Axt und Querbeil in einem.
    »An die würde ich mich gern heranmachen, bevor sie uns zusammenklappt.«
    Gull sah zu einer der Rekrutinnen hinüber. »We kommst du darauf, dass sie zusammenklappt?«
    »Frauen sind für so eine Arbeit nicht geschaffen, Kumpel.«
    Gull zog das Sägeblatt durch die Kiefer. »Die sind nur fürs Kinderkriegen da, meinst du?«
    Dobie grinste in seinen Bart hinein. »Ich habe das nicht erfunden. Ich reite sie nur gern.«
    »Du bist ein Arschloch, Dobie.«
    »Mit dieser Meinung bist du nicht der Einzige«, gab Dobie gut gelaunt zu.
    Gull musterte die Frau, eine kecke Blondine, vielleicht zwei, drei Zentimeter kleiner als Dobie. Aus seiner Sicht hatte sie sich genauso wacker geschlagen wie alle anderen. Libby, Skilehrerin aus Colorado, fiel ihm wieder ein. Er hatte gesehen, wie sie am Morgen ihre Blasen verarztete.
    »Ich wette zwanzig Dollar mit dir, dass sie durchhält.«
    Dobie lachte, während ein weiteres Stück Stamm da-vonrollte. »Ich nehme die Wette an, Kumpel.«
    Nachdem ihr Job erledigt war, verarztete Gull seine eigenen Blasen. Als die Ausbilder gerade nicht hinsahen, kümmerte er sich auch noch um die von Dobie.
    Sie liefen durchs Lager zu ihrem Marschgepäck. Noch ein Fünfkilometermarsch, dachte Gull, und dann würde er diesen schönen Tag mit einer Rasur, einer Dusche und einem kalten Bier abrunden.
    Er setzte sich, schnallte sein Marschgepäck um, zog eine Packung Kaugummi hervor und bot Dobie davon an.
    »Danke, gern.«
    Gemeinsam gingen sie auf alle viere und erhoben sich anschließend.
    »Stell dir einfach vor, du würdest ein hübsches Mädel tragen«, riet ihm Dobie und schielte zu Libby hinüber.
    »Bei diesem Gewicht wäre sie mir etwas zu zierlich.«
    »Wenn wir den Marsch erst hinter uns haben, wird sie dir schwerer vorkommen.«
    Das mit Sicherheit, dachte Gull, während der Ausbilder auf dem felsigen, steilen Weg ein alles andere als gemütliches Tempo anschlug.
    Sie feuerten sich gegenseitig an, das gehörte dazu. Sie nahmen sich gegenseitig auf den Arm, machten sich Mut, beleidigten sich, um die Gruppe noch einen Schritt, den entscheidenden Meter weiterzubringen. Bis zum ersten Ernstfall waren es nur noch ein paar Wochen. Und bei einem Waldbrand muss sich jeder auf den anderen verlassen können, ihr aller Leben hing davon ab.
    »Und was machst du so in Kentucky?«, wollte Gull von Dobie wissen, während ein Habicht über ihnen schrie und sich Männerschweiß mit Kiefernduft mischte.
    »Mal dies, mal jenes. In den letzten drei Sommern habe ich Waldbrände im Nationalpark bekämpft. Nachdem wir eines Nachts ein Feuer gelöscht hatten, habe ich mir einen eingemützt und gewettet, dass ich mich zum Feuerspringer ausbilden lasse. Also habe ich mich beworben, und hier bin ich.«
    »Du machst das nur wegen einer Wette?« Allein der Gedanke erschien ihm
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