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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest
Autoren: Frank Goosen
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meine Tasche fährt nach München. Und wird da unten gefunden, vom Zugchef, und zum Fundbüro gebracht, wo sie dann eine Zeit lang herumsteht, bevor sie versteigert wird und sich irgendjemand über gebrauchte T-Shirts und Unterhosen freut und sich fragt, was für einem uninteressanten, langweiligen Typen diese Tasche mal gehört hat.
    Vielleicht sollte ich mal rübergehen, denkt er.
    Seit fast einer halben Stunde steht Stefan auf der Straße und sieht zum ehemaligen Haus Rabe hinüber. Die Rollläden sind heruntergelassen, die Neonwerbung für die örtliche Biersorte ist kaputt, da muss mal ein Stein durchgeflogen sein, aber oben, in der ehemaligen Wirtswohnungbrennt Licht, Charlie ist also zu Hause. Und Alex wohl auch, aber wahrscheinlich schläft der schon. Andererseits sind Ferien. Aber mit fünf geht er noch gar nicht in die Schule, also Kindergarten. Haben Kindergärten zur gleichen Zeit Ferien wie die Schulen?, fragt er sich. Wäre nicht so günstig für Leute, die normale Jobs haben, die bekommen ja nicht ständig Urlaub, nur weil der Kindergarten zuhat. Angelegenheiten, mit denen man sich bisher nie beschäftigen musste.
    Die eigentliche Frage ist ja, was passiert, wenn man da jetzt rübergeht und klingelt und Hallo sagt und dass jetzt alles anders ist. Nicht, was dann in den nächsten paar Stunden passiert (paar Flaschen Bier, Brote, Chips, Cracker), sondern danach. Und dieses danach ist ziemlich lang. Oder ziemlich kurz, je nachdem.
    Na gut, denkt er, ich kann immer noch in das Haus zurück, das ich eigentlich heute hätte verkaufen sollen, da kann ich schlafen und ein paar Tage vor mich hin vegetieren, aber dann gibt es immer noch ein Danach, es sei denn, ich komme untern Bus oder werde von einem Kumpel von Diggo totgeschlagen oder, und das wäre natürlich das Schönste, ich falle besoffen von Frank Tenholts Zeche, dann gibt es nur für die anderen ein Danach, und die sagen dann, den Stefan, den musste man nicht kennen, der hatte ein Rad ab, was Frauen angeht, aber sein Tod hat doch vieles wieder wettgemacht. Besoffen von der Zeche fallen! Herrlich! Toto würde mit der Story richtig abräumen.
    Wie gern wäre er unsichtbarer Beobachter auf seiner eigenen Beerdigung. Das ist doch jedem schon mal durch den Kopf gegangen. Er ist so unoriginell.
    Auf dem Weg hierher, im Taxi, da ist ihm noch was durch den Kopf gegangen: Wenn das mit Anka nicht klappt, dannbringt ihn das nicht um. Wenn das mit Charlie scheitert, ist er praktisch tot.
    Dieses letzte Zögern ist ja albern, denkt er, und erklärt es kurzerhand zu einem harmlosen Verschnaufen.
    Er geht über die Straße und steht endlich vor der Haustür, die sich in der Toreinfahrt neben dem Haus Rabe befindet, und die ist nur angelehnt, also tritt er ein. Er drückt die Tür hinter sich zu, weil das ja nicht sein muss, dass so eine Haustür abends nur angelehnt ist, da kommt ja weiß Gott wer rein.
    Irgendwie erwartet man doch immer, dass es in so einem Hausflur nach Essen riecht, aber das tut es nicht, es riecht ein wenig abgestanden, vielleicht auch ein wenig nach Putz und Mörtel, und da sieht Stefan auch, dass an den Wänden einige Löcher frisch ausgebessert sind. Das ganze Treppenhaus wartet darauf, dass man sich darum kümmert. Er steigt die Stufen nach oben und steht vor der Wohnungstür. Kein Name an der Klingel. Sein Arm und sein Zeigefinger tun es den Beinen gleich und entscheiden selbstständig, und dann gongt es drinnen auch schon.
    Als sie die Tür öffnet und ihn erkennt, fliegt nicht gerade ein Lächeln über ihr Gesicht.
    »Du hast echt Nerven!«, sagt sie.
    »Ich habe in meinen Ausweis geguckt, da stand mein Geburtsdatum«, entgegnet Stefan, »und mit ein bisschen Kopfrechnen habe ich rausgekriegt, wie alt ich bin. Diese Zahl habe ich in Bezug zu meinem Benehmen gesetzt. Und jetzt bin ich hier.«
    »Was ist mit deinem Zug?«
    »Ist unterwegs.«
    »Hast du kein Gepäck?«
    »Ist auch unterwegs.«

    Sie weiß noch immer nicht, was sie davon halten soll, aber nach ein paar Sekunden sagt sie: »Komm rein.«
    Die Wohnung hat einen langen Flur, von dem die Zimmer abgehen.
    »Alex schläft schon«, sagt Charlie, und Stefan ist erleichtert. Eins nach dem anderen.
    Sie führt ihn in die erstaunlich große Küche. Da ist ein Durchbruch gemacht, und zwei Zimmer sind zu einem zusammengelegt worden. Eine schöne große Küche mit modernen Geräten, einem großen Tisch mit vielen Stühlen drum herum, und an der hinteren Wand steht noch ein Sofa mit einer
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