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Sommer, Sonne, Ferienglück

Sommer, Sonne, Ferienglück

Titel: Sommer, Sonne, Ferienglück
Autoren: Peter Heim
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Hedwig Pauli. »Was sagen Sie dazu?«
    Theo suchte die Antwort. Er suchte umsonst.
    Sein Denken war wie lahmgelegt.
    Die Frage hätte genauso heißen können: »Also, Angeklagter? Was haben Sie dazu zu sagen?«
    Vielleicht war es der blaue, harte Porzellanglanz der Augen, vielleicht die Falte auf der Stirn? Dort hatte Hedwig Pauli zwar viele Falten, doch die in der Mitte wirkte besonders drohend.
    »Hm. Also wenn Sie mich so fragen …«
    Im Hintergrund auch noch der Doktor! Er stand, die Arme über der Brust verschränkt und grinste.
    »Jetzt zittern Sie doch nicht lange herum, Herr Schmidle. Soll ich Ihnen mal sagen, was im Geschäftsleben das Allerentscheidenste ist? Klare Verhältnisse! Wer sich was vormacht, der fällt, Herr Schmidle. Ich mußte das auch lernen, glauben Sie mir. Und wissen Sie noch was? Wissen Sie, wo man mit den klaren Verhältnissen anfangen muß? Bei sich selbst!«
    Tapfer versuchte Theo dem Porzellanblick standzuhalten.
    »Also?«
    »Wie bitte?«
    »Klare Verhältnisse, Herr Schmidle. Wie ist das? Sie sind Pleite, stimmt's?«
    »Liebe, verehrte, gnädige Frau …« Die Hände, die Theo rang, fühlten sich an wie feuchte Scheuerlappen. »Woher wollen Sie denn …?«
    »Also die ›verehrte, gnädige‹ schenken wir uns. Und das woher spielt auch keine Rolle. Um was es geht, sind Fakten. Sind Sie oder sind Sie nicht?«
    Theo senkte ergeben den Kopf. »Ich bin.«
    Hedwig Pauli nickte. Ihre Hände schlossen sich fest um den Silberknauf des Stocks. »Ach, Herr Schmidle, Pleite, das ist ja auch nur so ein Wort. Es gibt Pleiten und Pleiten. Also, wie sieht denn Ihre aus?«
    Theo erklärte es.
    Der Doktor holte sich doch einen Stuhl. Er setzte sich. Die Arme hielt er auch nicht mehr verschränkt. Sein rechter Mundwinkel zuckte. Theo war sich nicht ganz klar, war das nun Ironie oder pures Staunen?
    Hedwig Pauli aber blieb ganz ruhig.
    »So was habe ich mir schon gedacht«, sagte sie, als Theo zu Ende war.
    Eine Pause entstand. Theo spürte, wie kleine, winzige Tröpfchen durch die Poren seiner Haut auf der Stirn drangen.
    »Naja«, beendete Hedwig Pauli das Schweigen, »ich hab' schon vieles gehört und jede Menge Pleiten gesehen, aber das alles klingt ein wenig exotisch, nicht? Und, das muß ich schon sagen, für Exotik habe ich nicht allzuviel übrig. Vor zwanzig Jahren habe ich nämlich mal eine Batteriefabrik in Angola gegründet. Bloß in irgendeinem blöden Krieg haben sie mir die gleich wieder abgefackelt … Und da war doch noch was? Richtig, irgendwelche Rindviechersorten für Honduras. Und was war das andere? Salzgewinnung. Salinen in Südspanien. Hat hingehauen. Wenn ich's mir überlege, waren es immer dieselben, die ankamen und mir Vorschläge machten. Leute wie Sie, lieber Herr Schmidle. Den Kamm voll Ideen, aber wenn's ums liebe Geld ging, die Frage, wie man es verwendet und verwaltet – Sendepause. Trotzdem, so unterm Strich, wenn ich an all die Projekte denke, in die roten Zahlen bin ich nicht gekommen.«
    »Ich hatte ursprünglich das Konzept …«
    »Was Sie hatten und was Sie haben, sehe ich. Haben Sie gerade ja auch ganz anschaulich geschildert. Deshalb red' jetzt ich.«
    »Bitte.«
    Theo konnte nur noch krächzen. Am liebsten wäre er in den Boden versunken. Die Stimme war zwar leise, in seinen Ohren aber nahm sie sich wie Donner aus. Der Donner des Jüngsten Gerichtes. – Moment, was sagte sie da gerade?
    »Sie brauchen unbedingt einen Drink«, sagte Hedwig Pauli, »sonst kippen Sie mir vom Stuhl. Ich kann Ihnen ja von diesem famosen Sauerampfer-Saft anbieten, den Dr. Schürmann als Diabetiker-Wein ausgibt. Das heißt – Schürmännchen! Wenn ich mich recht erinnere und mich meine Augen nicht täuschten, stand doch eine Flasche Whisky in Ihrem Kleiderschrank?«
    Theo wunderte sich, wie sie den Whisky in Dr. Schürmanns Kleiderschrank entdecken konnte, aber auf Hedwig Paulis Frage: »Wie wär's denn damit? Hätten Sie Lust?« nickte er. Nicht mal Whisky würde ihn umbringen. Nichts konnte das. Prinzipiell war er schon tot.
    Und Hedwig Pauli noch immer nicht zu Ende.
    »Sie haben Glück, mein lieber Schmidle«, fuhr ihre energische, wenn auch leicht brüchige Stimme fort. »Ich bin zwar kein Tagträumer, aber einen Ihrer Defekte hab' auch ich: Einen geradezu kitschigen Hang zur Sentimentalität. Allerdings besteht in diesem Punkt zwischen uns ein kleiner, aber bedeutsamer Unterschied: Ich kann mir Sentimentalität leisten. Sie nicht.«
    Wieder Nicken. Was
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