Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer, Sonne, Ferienglück

Sommer, Sonne, Ferienglück

Titel: Sommer, Sonne, Ferienglück
Autoren: Peter Heim
Vom Netzwerk:
Tomaten ein zweites Mal zu waschen. Schließlich war es soweit, daß auch Leni Bolte sich mit ihrem Badetuch einen nassen Umschlag machen konnte. Nun ist es eine Sache, am Lagerfeuer richtig mal das Robinson-Gefühl zu genießen, eine andere, sich mit einem angeschwollenen Knöchel zu quälen. Vor allen anderen den Rock hochzuziehen und sich Umschläge zu machen, nein, Leni Boltes Fall war das nicht. Deshalb hatte sie den leeren, verrosteten Brunneneimer etwas abseits getragen, ihn umgedreht, sich daraufgesetzt und ihren Knöchel versorgt.
    Bis dann …
    Oh Gott!
    Erschrocken blickte Otto Bolte auf seine zitternde Frau: »Aber was ist denn? Was hast du denn, Mäuschen?«
    Sie drehte ihm das Gesicht mit den weit aufgerissenen Augen zu: »Mäuschen? Keine Mäuse – Ratten!«
    Die anderen verstummten. Erschrocken waren sie nun alle. Aber ein verlassener Hof? Ja nun, da konnte es das vermutlich geben.
    »Nun komm schon. Ich helfe dir. Wir gehen rüber ans Feuer. Und eine Ratte, was ist das schon?«
    »Was das ist? Das war keine normale Ratte. Eine Frankenstein-Ratte war das! Die hockte dort drüben. Gleich da auf dem Gerumpel. Groß wie 'ne Katze war sie. Die hockte und glotzte mich an.«
    Groß wie eine Katze?
    Nicht nur überrascht war man, sondern bereits auch ein wenig angesäuselt.
    »Wirklich?« Evi Plascheks Stimme zitterte.
    »Bestimmt. Und es war nicht nur eine.«
    Roberto Zafirelli hatte seine Taschenlampe dem Studiendirektor überlassen. Der sandte damit in alle Richtungen seine Suchstrahlen. Er wurde nicht fündig. Ratten waren keine zu sehen.
    »Hier bleib' ich nicht länger. Keine Sekunde. – Nie!« Leni Bolte stieß den Eimer um und hüpfte auf einem Fuß davon.
    In einer Gebäudeecke, dort, wo das Waschhaus mit dem Kuhstall zusammenstieß, drückte sich Irma Kröppe noch enger an Reinhold Sottka. »Was haben die denn? Was brüllen und kreischen die da rum?«
    »Die haben Angst.«
    »Vor was?«
    »Vor Ratten.«
    »Im Ernst?«
    »Du nicht, mein Herz?«
    »Ich?« Irma Kröppe drückte die linke Wange an Reinhold Sottkas Brust, als suche sie seinen Herzschlag. »Wieso denn? Wo du doch da bist …«
    Dies war genau die Antwort, auf die er gehofft hatte. Oh Gott, wie süß sie doch war! Allerdings blieb sie auch stur bei ihrem Thema: »Und wenn's vorbei iss am Gardasee, Reinhold? Gann ich wirklich zu dir?«
    »Natürlich.«
    ›Natürlich‹, war er schon soweit? Hatte er ihr das wirklich versprochen? Ja, er hatte. Es war das Erlebnis der ganzheitlichen Harmonie, das ihn dabei bestimmte, der Harmonie von Körper, Seele und Geist zweier verschiedener Menschen. Es war ein einzigartiges Erlebnis. Glücklich der, dem es beschieden ist!
    Ja und wieso eigentlich auch nicht? Mit Beates Gehässigkeit würde er schon fertig werden.
    Und in der Wohnung konnte er Irma ja die Kammer ausräumen, in der er bisher die Bücher über Molke-Kur und Arthrose-Therapie aufbewahrte. Dort gab's ja auch noch diese Geräte zur Sauerstoff-Mehrschritt-Behandlung. Bücher wie Geräte waren eine Fehlanschaffung gewesen. Warum also sollte er statt dieser nicht ein hübsches, lebendiges, warmes, liebes Geschöpf unterbringen? Eine Sächsin zwar, aber – Sachsen sind sicher anspruchslos. Sie konnte im Geschäft helfen, ein Gehalt würde sie ja wohl kaum erwarten unter diesen Umständen. Ein Gehalt kam natürlich nicht in Frage. Wenn er schon für alles sorgte!
    »Ratten oder nicht«, seufzte Irma Kröppe, »mir ist richtig wohl heute.«
    Na, wart mal ab, dachte Reinhold Sottka und erhob sich.
    »Was ist denn?«
    Auch die anderen hatten sich nicht mehr gesetzt. Gestikulierend deuteten sie zu der Stelle, wo die Hofzufahrt in die Straße mündete, denn dort rollte ein Bus, ein zweiter Bus heran. Und neben dem Fahrer saß der dicke Zafirelli.
    »Einsteigen!« brüllte er durch die Nacht. »Einsteigen, meine Herrschaften! Nach Hause …«
    Das Feuer wurde gelöscht. Ein leichter Rauchfaden stieg aus dem Aschenhäufchen dem Mond entgegen. Ob es hier nun wirklich Ratten gab, die groß wie Katzen waren, keiner würde es je erfahren …
    ***
    Drei Uhr war es. Drei Uhr nachts …
    Der Mond dekorierte Silberwölkchen.
    Wellen- und Wasserstimmen. Glucksen und Plätschern. – Hoch auf ihrem Hotelbalkon stand Christa und blickte über den Canale Grande.
    Ihr Herz schien ihr so groß, daß es schmerzte. Sie breitete die Arme aus. Aufs Balkongitter steigen und fortfliegen! Plötzlich verstand sie, wie es den Schlafwandlern zumute sein mußte.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher