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Solo

Solo

Titel: Solo
Autoren: Jack Higgins
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Wohnung für gedämpfte Beleuchtung
sorgte. Nicht, daß es für John Mikali eine Rolle gespielt
hätte, er wußte ohnehin nicht mehr, was noch wirklich und
was nicht mehr wirklich war. Und außerdem hatte er noch nie mit
einer Frau geschlafen, eine Tatsache, an der seine Ungeschicklichkeit
keinen Zweifel ließ. Mit jener amüsierten Nachsicht, die das
Gewerbe den Neulingen häufig entgegenbringt, weihte die Frau ihn
schnell in alle Geheimnisse ein.

    Er lernte rasch, nahm sie einmal, zweimal, in einer
Art beherrschter Raserei, und zum erstenmal seit Jahren empfand auch
sie selber Lust, sie stöhnte unter ihm, flehte um mehr. Danach,
als sie schlief, lag er im Dunkeln und staunte über seine Macht,
eine Frau so handeln zu lassen, wie sie gehandelt hatte; all das zu
tun, was sie getan hatte.
      Seltsam, wie wenig diese Sache ihm bedeutete, die doch allgemein für so wichtig gehalten wurde.

      Später, als er in den
frühen Morgenstunden durch die Straßen lief, hatte er sich
so einsam gefühlt wie nie zuvor in seinem Leben. Er landete
schließlich bei den Hallen, wo Träger geschäftig
schwere Steigen mit Gemüse von Lastwagen entluden und sich dabei
doch zeitlupenhaft, wie unter Wasser, zu bewegen schienen. Er hatte den
Eindruck, das alles von einem anderen Planeten aus zu beobachten.

      In einem Café, das die ganze
Nacht durch geöffnet war, setzte er sich ans Fenster und bestellte
Tee. Sein Blick fiel auf das Titelblatt einer Zeitschrift, die auf dem
Stuhl neben ihm lag. Eine schlanke, drahtige Gestalt in Tarnanzug, mit
einem Gewehr lässig in der Armbeuge und einem sonnenverbrannten
Gesicht, aus dem ihn ausdruckslose Augen anstarrten.
    Er nahm die Zeitschrift vom Stuhl und las den Artikel, in dem
    die Rolle der Fremdenlegion im Algerienkrieg
untersucht wurde, der damals auf seinem Höhepunkt war.
Männer, die vor kaum zwei Jahren bei ihrer Rückkehr aus
Indochina und den vietnamesischen Gefangenenlagern von den Marseiller
Hafenarbeitern mit Steinen beworfen worden waren, kämpften nun
wieder für Frankreich in einem schmutzigen und sinnlosen Krieg.
Männer ohne Hoffnung, wie der Artikelschreiber sie nannte.
Männer ohne Zuhause. Auf der nächsten Seite war das Foto
eines weiteren Legionärs, der mit einem blutdurchtränkten
Verband um die Brust halb aufgerichtet auf einer Bahre lag. Sein Kopf
war kahlgeschoren, die Wangen eingefallen, das Gesicht schmerzverzerrt,
und die Augen starrten in einen Abgrund von Einsamkeit. Mikali war es,
als starrte er auf sein eigenes Spiegelbild. Er legte die Zeitschrift
wieder sorgfältig auf den Stuhl zurück und atmete tief ein
und aus, bis seine Hände zu zittern aufhörten. In seinem Kopf
klickte etwas. Geräusche drangen wieder an sein Ohr. Er nahm das
Treiben um sich herum wahr. Die Welt war wieder zum Leben erwacht, aber
er gehörte ihr nicht mehr an, er hatte ihr eigentlich nie
angehört.
      Mein Gott, wie kalt es war. Er stand
auf, verließ das Café und ging mit tief in den Taschen
vergrabenen Händen schnell durch die Straßen.

      Es war sechs Uhr morgens, als er in
seine Wohnung zurückkehrte. Sie wirkte grau und leer, als
wäre alles Leben in ihr erstorben. Der Deckel des Klaviers stand
offen, das Notenheft noch so aufgeschlagen, wie er es
zurückgelassen hatte. Er hatte die Prüfung am Konservatorium
versäumt, aber das war jetzt gleichgültig. Er setzte sich und
begann langsam und mit viel Empfindung die geisterhafte Weise zu
spielen, Le Pastour von
Grovlez, die er auch damals in New York nach dem Begräbnis seiner
Großmutter gespielt hatte, als Dimitri Mikali dort eingetroffen
war.

      Als die letzten Töne verklungen
waren, schloß er den Klavierdeckel, stand auf und holte aus dem
Schreibtisch seinen Paß. Er blickte sich noch ein letztesmal in
der Wohnung um, dann verließ er das Haus.
      Um sieben Uhr saß er in der
Metro nach Vincennes. Dort stieg er aus und marschierte zügig
durch die Straßen zur alten Festung, der Rekrutierungsstelle
für die Fremdenlegion.
      Um Mittag hatte er bereits seinen
Paß zum Beweis seiner Identität und seines Alters abgegeben,
eine gründliche ärztliche Untersuchung hinter sich gebracht
und einen Vertrag unterschrieben, der ihn auf fünf Jahre zum
Dienst in der berühmtesten, aber auch berüchtigtsten Truppe
der Welt verpflichtete.

      Um drei Uhr am folgenden Tag
saß er, zusammen mit drei Spaniern, einem Belgier und acht
Deutschen im Zug nach Marseille, zum Fort Saint Nicholas.
    Zehn Tage später verließ
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