Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solo

Solo

Titel: Solo
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
für ihn.
    Meist war John allein, nur dann und wann kam sein Großvater
    auf ein paar Tage herüber. Dann saßen
die beiden Abend für Abend vor dem Kamin, in dem Pinienscheite
loderten, und redeten stundenlang über alles mögliche. Kunst,
Literatur, Musik, sogar Politik, obwohl John Mikali sich für
dieses Thema nicht im geringsten interessierte.

      Nur über eines sprachen sie
nicht: über Algerien. Der alte Mann stellte keine Fragen, und der
jüngere fing niemals davon an. Es war, als hätte es diese
Zeit gar nicht gegeben. Kein einziges Mal während dieser beiden
Jahre hatte John eine Klaviertaste angerührt, aber jetzt begann er
wieder zu spielen, spielte immer häufiger in den neun Monaten die
bis zu seiner völligen Genesung vergingen.
      An einem ruhigen Juliabend des Jahres 1963 spielte er für seinen Großvater Bachs Präludium und Fuge Es-Dur g enau wie damals in Athen an dem Abend, als er beschlossen hatte, nach Paris zu gehen.
      Danach herrschte Stille. Durch die
geöffneten Terrassentüren sah man den Himmel orangerot
aufflammen, als die Sonne hinter der Nachbarinsel Dokos versank.
      Der Großvater seufzte. «Wenn ich dich recht verstehe, bist du wieder soweit?»
      «Ja», sagte John Mikali
und lockerte die Finger. «Jetzt muß es sich herausstellen.
Ein für allemal.»

      Mikali wählte London, das Royal
College of Music. Er mietete eine Wohnung in der Nähe der Park
Lane und des Hyde Park, wo er jeden Morgen, bei Regen wie Sonnenschein,
einen Dauerlauf von zehn Kilometern absolvierte und das Letzte aus sich
herausholte. Alte Gewohnheiten sterben schwer. Dreimal pro Woche
trainierte er zudem in einer bekannten Sportschule der Stadt.
    Die Legion hatte ihn gezeichnet bis ins Mark,
ließ sich nie mehr ganz abschütteln. Das zeigte sich
deutlich, als er in einer regnerischen Nacht kurz vor zwölf vom
Grosvenor Square in eine Seitenstraße einbog und von zwei
Jugendlichen überfallen wurde.

      Der eine sprang ihn von hinten an und
legte ihm den Arm um die Kehle, der andere tauchte aus der Einfahrt
einer Tiefgarage auf.
      Mikalis rechter Fuß flog hoch
und trat den zweiten Angreifer kunstgerecht in die Leisten, dann, als
der Junge aufheulend vornüberknickte, fuhr ihm Mikalis Knie ins
Gesicht. Der erste war so verblüfft, daß er seinen Griff
lockerte. Mikali riß sich los und schwang in einem knappen Bogen
den rechten Ellbogen nach hinten. Man konnte den Kieferknochen brechen
hören. Der Angreifer fiel mit einem lauten Schrei auf die Knie,
Mikali trat über seinen Kumpan hinweg und entfernte sich rasch
durch den strömenden Regen.

      In drei harten Jahren wuchs sein
Ansehen am College. Er war gut – er war mehr als gut. Die anderen
wußten es, und er wußte es auch. Er schloß keine
Freundschaften. Nicht etwa, weil er unbeliebt gewesen wäre. Im
Gegenteil, alle fanden ihn ungemein anziehend, aber es war etwas
Unnahbares um ihn. Eine Mauer, die unüberwindbar schien.
      Frauen gab es die Menge in seinem
Leben, aber keiner gelang es, das geringste persönliche Verlangen
in ihm zu wecken. Von einer latenten Homosexualität konnte nicht
die Rede sein; seine Beziehungen zu Frauen bedeuteten ihm einfach
nichts. Die Wirkung, die er selber auf die Frauen ausübte, war
etwas ganz anderes, und sein Ruf als Liebhaber wuchs alsbald ins
Legendäre.

    Am Ende des letzten Studienjahres erhielt er die
goldene Raildon-Medaille. Das genügte aber nicht. Nicht für
den Mann, der er geworden war. Er ging also nach Wien und stud ierte
ein Jahr bei Hofmann, um den letzten Schliff zu bekommen. Im Sommer
1967 war dann seine Ausbildung abgeschlossen.
      Ein altes Musiker-Bonmot besagt,
überhaupt auf ein Konzertpodium zu kommen, sei noch schwieriger,
als darauf Erfolg zu haben.

      Mikali hätte sich einen guten
Start sozusagen kaufen können. Er hätte einen Agenten
bezahlen und einen Saal in London oder Paris für ein Konzert
mieten können. Doch sein Stolz ließ das nicht zu. Er wollte
sich aus eigener Kraft durchsetzen, die Welt selber zwingen, ihm
zuzuhören. Nur ein Weg führte dorthin.

      Nach einem kurzen Urlaub in
Griechenland kehrte er nach England zurück, nach Yorkshire, und
meldete sich zur Teilnahme am Musik-Festival in Leeds an, einem der
bedeutendsten Klavier-Wettbewerbe der Welt. Wer hier einen Preis
gewann, der war mit einem Schlag berühmt und hatte eine
Konzerttournee in der Tasche.
      Er errang den dritten Platz und bekam
unverzüglich Angebote von drei großen Agenturen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher