Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solo

Solo

Titel: Solo
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
Er lehnte
sie alle ab, übte in seiner Londoner Wohnung einen Monat lang
täglich vierzehn Stunden und ging im folgenden Januar nach
Salzburg. Dort gewann er unter achtundvierzig Mitbewerbern aus der
ganzen Welt den ersten Preis mit Rachmaninows Viertem Klavierkonzert, einem Werk, das er in den kommenden Jahren zum Paradestück seines Repertoires machen sollte.
      Sein Großvater hielt sich
während der ganzen sieben Tage des Festivals in Salzburg auf, und
dann, als alle anderen abgereist waren, kam er mit zwei Gläsern
Champagner hinaus auf den Balkon des Hotels, wo John Mikali stand und
auf die Stadt hinunterblickte.
      «Die ganze Welt liegt dir jetzt
zu Füßen. Alle werden dich haben wollen. Was fühlst
du?»
    «Nichts», sagte John Mikali. Er trank einen Schluck vom
    eisgekühlten Champagner, und plötzlich,
ohne jeden ersichtlichen Grund, sah er die vier Fellachen um den
brennenden Lastwagen herumgehen und lachend näher kommen.
«Ich fühle nichts.»
    In den beiden folgenden Jahren starrten die dunklen Augen
    auf Plakaten in London, Paris, Rom, New York aus
dem blassen, hübschen Gesicht, und sein Ruhm wuchs. Die Presse
hatte ausführlich über seine zwei Jahre in der Fremdenlegion
berichtet, über seine Tapferkeitsauszeichnungen. In Griechenland
wurde er zu einer Art Volksheld, so daß seine Konzerte in Athen
stets große Ereignisse waren.

      Und in Griechenland hatte sich
einiges verändert, seit nach dem Militärputsch vom April 1967
die Obristen an der Macht waren und König Konstantin ins Exil nach
Rom mußte.
      Dimitri Mikali war jetzt
sechsundsiebzig, und man sah es ihm auch an. Noch immer hielt er abends
offenes Haus, doch nur wenige Gäste stellten sich ein. Sein
Eintreten für die Demokratische Front hatte ihn bei der Regierung
zunehmend unbeliebt gemacht, und seine Parteizeitung war bereits
mehrmals beschlagnahmt worden.
      «Politik!» sagte John
Mikali einmal bei einem seiner Besuche zu ihm. «Alles Unsinn.
Kinderei. Warum machst du dir das Leben damit schwer?»

      «Oh, ich hab es im Gegenteil
sehr gut.» Sein Großvater lächelte. «Das
Schicksal verwöhnt mich sozusagen, mit einem Enkel, der eine
internationale Berühmtheit ist …»

      «Was soll's!» sagte
Mikali. «Ihr habt eine Militärjunta, und Miniröcke sind
verpönt. Na und? Ich war in Ländern, wo es übler zugeht
als heute in Griechenland, glaub mir das.»
      «Politische Gefangene zu
Tausenden. Das Erziehungswesen wird zur Verhe tzung der Kinder
mißbraucht, die Linke ist so gut wie ausgelöscht. Klingt das
nach Heimstätte der Demokratie?» hielt der Alte ihm vor.

    Auf John Mikali machte dies alles keinen Eindruck.
Am nächsten Tag flog er nach Paris und gab am gleichen Abend ein
Chopin-Konzert, eine Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten der
internationalen Krebsforschung.
      In Paris erwartete ihn ein Brief
seines Londoner Agenten Bruno Fischer mit der Reiseroute für eine
Herbst-Tournee durch England, Wales und Schottland. Mikali saß
nach Schluß des Konzerts noch eine Weile in seiner Garderobe und
studierte den Brief, als an die Tür geklopft wurde und der
Bühnenportier hereinschaute.
    «Ein Herr will Sie sprechen, Monsieur Mikali.»

      In der Tür erschien ein
großer kräftiger Mann mit gelichtetem Haar und dichtem
schwarzem Schnurrbart. Er trug einen schäbigen Regenmantel
über dem zerknitterten Tweedanzug.
    «He, Johnny. Freu mich, dich zu sehen. Claude Jarrot –
    Stabsunteroffizier, Dritte Kompanie, Zweites
Fallschirmjägerregiment. Wir sind damals zusammen in der Nacht
über El Kebir abgesprungen.»

      «Ich erinnere mich», sagte Mikali. «Du hast dir den Knöchel gebrochen.»
      «Und du bist bei mir geblieben,
als die Fellachen unsere Linie durchbrochen haben.» Jarrot
streckte die Hand aus. «Ich habe von dir in der Zeitung gelesen,
und als ich sah, daß du heute hier ein Konzert gibst, hab ich mir
gedacht, ich schau mal vorbei. Nicht wegen der Musik. Sagt mir verdammt
gar nichts.» Er grinste. «Hab mir's einfach nicht
verkneifen können, einen alten Kumpel aus Sidi-bel-Abbès zu
begrüßen.»
      Vielleicht wollte er ihn anpumpen,
schäbig genug war er gekleidet; aber sein Kommen hatte die alten
Tage wieder zurückgebracht. Jedenfalls nahm Mikali den Besucher
freundlich auf.

      «Freut mich, daß du
gekommen bist. Ich wollte gerade gehen. Wie war's mit einem Drink?
Irgendwo in der Nähe muß ein Lokal sein.»
    «Also, ich habe eine Autowerkstatt, nur eine Straße
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher