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Solarstation

Titel: Solarstation
Autoren: Andreas Eschbach
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hielten. Ich roch Yoshikos Schweiß, ihren Körperduft, bohrte meine Nase liebkosend in ihr Haar und hätte sie noch ewig so halten können. Sie aber küßte mich sanft und entwand dann einen ihrer Arme den meinen, griff hinter sich und knipste das Licht wieder an. Wahrend ich noch blinzelnd versuchte, mich an die Helligkeit zu gewöhnen, hatte sie schon ihre Armbanduhr aus ihrem Kleiderbündel gefischt und die Zeit abgelesen.
    »Es wird Zeit, Leonard-san«, sagte sie sanft.
    Seufzend glitt ich aus ihr heraus und gab sie frei. Es wäre eine Illusion gewesen zu glauben, daß sie mich etwa liebte. Ich wußte, daß sie das nicht tat. Yoshiko war eine junge, intellektuelle Japanerin, eine echte Tochter des neuen Jahrtausends, wahnsinnig intelligent, wahnsinnig ehrgeizig und mit ihren sechsundzwanzig Jahren bereits eine der führenden Astronominnen des Landes, wenn nicht der ganzen Welt. Für eine Frau wie sie war es chic, sich eine Affäre mit einem gaijin zu gönnen, und wenn sie etwas an mir mochte, dann war es meine westliche Grobheit und Ungeschlachtheit, die sicherlich einen erfrischenden Kontrast darstellte zur allgegenwärtigen japanischen Höflichkeit. Und vielleicht auch meine im Vergleich zu japanischen Männern stärker ausgeprägte physische Ausstattung.
    Obwohl ich das alles wußte und obwohl ich sie inzwischen schon eine ganze Weile kannte, war es immer wieder ernüchternd zu erleben, wie rasch und problemlos sie aus der Welt der Ekstase in die Welt des Alltags zurückkehrte. Während in mir noch alles bebte und vibrierte und ich verträumt und bedauernd zusah, wie sie ihren begehrenswerten Körper nach und nach wieder in den schmucklosen Bordoverall hüllte, schien sie in Gedanken schon ganz woanders zu sein, an der Schalttafel ihres Radioteleskops vielleicht oder mit irgendwelchen Überlegungen zu bahnbrechenden kosmologischen Theorien beschäftigt.
    »Wir sollten nicht zu spät kommen, Leonard-san«, mahnte sie sanft. »Der Kommandant ist sehr beunruhigt wegen der vielen Pannen bei der Energieübertragung in letzter Zeit.«
    Das war ein zarter Hinweis, nicht länger nackt durch die Gegend zu schweben, sondern mich ebenfalls wieder anzuziehen. Ich beeilte mich. Yoshiko regelte unterdessen die Heizung herunter, fing dann ihre langen Haare ein und bändigte sie wieder mit einem Haargummi.
    Natürlich wußte jeder an Bord Bescheid über unsere Schäferstündchen. Trotzdem hatte es etwas Verschwörerisches an sich, wie wir die Tür des Kleiderlagers öffneten und uns umsahen. Und während wir den Gang entlang paddelten, blieb ich etwas zurück, um ihr bewundernd zuzusehen. Es würde wieder einige Tage dauern, bis ich aufhören konnte zu bedauern, daß ich ihr im Grunde nichts bedeutete.
    Ich verliebe mich immer in die Frauen, mit denen ich schlafe. In dieser Reihenfolge. Wahrscheinlich ist genau das mein Problem.

KAPITEL 2
    Die Anspannung auf der Brücke war mit Händen zu greifen, als wir dort ankamen. Die Blicke, die uns trafen, waren nicht einmal wissend oder anzüglich wie sonst, sondern nur ungeduldig. Der Kommandant sah nur demonstrativ auf die sogenannte Missionsuhr, deren große rote Ziffern nicht die laufende Uhrzeit, sondern den Countdown für ein aktuelles Vorhaben anzeigten: in diesem Fall die verbleibende Zeit bis zum Beginn des Kontaktes, noch fünf Minuten.
    Wir nahmen schweigend unsere Plätze ein. In der Schwerelosigkeit setzt man sich natürlich nicht auf Stühle; das ist völlig unnötig. Es gab auf dem Boden vor den jeweiligen Schaltpulten Schlaufen am Boden, in die man die Füße steckte, und wenn man dann die Karabinerhaken, die an elastischen Schnüren an jedem Overall befestigt waren, an den entsprechenden Ösen einhakte, konnte man sich ganz auf seine Arbeit konzentrieren, ohne befürchten zu müssen, in einem unachtsamen Moment davonzuschweben.
    Meine Aufgabe war, die Energieflußkontrollen im Auge zu behalten. Ich blickte über die Anzeigeinstrumente, verwirrend viele, zog einen Notizzettel aus der Tasche, den ich mir vorsorglich angefertigt hatte, und heftete ihn mit einem kleinen Magneten an eine freie Fläche. Das war ein Aushilfsjob für mich, weil Taka Iwabuchi, der eigentlich für den Bereich Sonnenenergie zuständig war, sich diesmal unten im Maschinendeck aufhielt, um das Funktionieren der automatischen Anlagen zu überwachen. Oder das Nichtfunktionieren, um genau zu sein. Denn seit zwei Monaten gab es permanent Pannen bei der Energieübertragung.
    Noch drei
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