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Solarstation

Titel: Solarstation
Autoren: Andreas Eschbach
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nickte nur noch. Jetzt kommt es, dachte ich, und meine Zunge schien plötzlich ausgetrocknet und am Gaumen festgewachsen zu sein.
    »Ich glaube, es ist Sabotage«, sagte Moriyama.
    Zuerst verstand ich überhaupt nicht, wovon er sprach. »Wie bitte?«
    »Sabotage«, wiederholte der Kommandant. »Wir haben alle technischen Möglichkeiten durchprobiert, und es ist noch nicht einmal ein Anhaltspunkt für einen Fehler aufgetaucht. Die Steuerung der Energieübertragung hat lange Zeit funktioniert, und jetzt funktioniert sie nicht mehr. Ich denke, jemand hat sie sabotiert.«
    Ich mußte erst einmal erleichtert aufatmen, ehe ich etwas sagen konnte. Ich war wirklich darauf gefaßt gewesen, mir höchst unangenehme Ermahnungen wegen meiner Affäre mit Yoshiko anhören zu müssen; Ermahnungen, in denen die Worte Pflichtvergessenheit und Unpünktlichkeit und dergleichen vorgekommen wären. Dann wurde mir bewußt, wie lächerlich meine Erleichterung war im Vergleich zu dem ungeheuerlichen Verdacht, den Moriyama gerade geäußert hatte.
    »Aus welchem Grund sollte jemand unsere Versuche zur Energieübertragung sabotieren wollen?« fragte ich, weil mir nichts Besseres einfiel.
    »Ano ne«, brummte Moriyama überrascht. »Da kann ich mir eine ganze Menge Gründe vorstellen. Wußten Sie, daß es bereits zwei Bombenattentate auf unser Versuchsgelände auf Hawaii gegeben hat? Natürlich kann man nichts beweisen, aber alles deutet darauf hin, daß hinter den Anschlägen dieser Verein seniler Schwachköpfe steckt, der sich Gemeinschaft erdölexportierender Staaten nennt und der immer noch nicht begriffen hat, daß in fünf bis zehn Jahren sein letztes Faß Öl abgefüllt sein wird.«
    »Sie glauben, daß die OPEC uns einen Agenten an Bord geschickt hat?«
    »Oder eine der Erdölgesellschaften. Denken Sie nur einmal daran, was alles an dunklen Machenschaften ans Licht kam, als die Exxon Corporation in Konkurs ging. Ich glaube nicht, daß die Konkurrenz besser ist. Wenn unser Konzept funktioniert, dann bricht das Solarzeitalter an, und das bedeutet das sichere Ende für jede Art von Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen. Mit anderen Worten, das sichere Ende für Shell, British Petroleum, Mobil, Texaco…«
    »… Nippon Oil…«, warf ich ein.
    »Das ist etwas anderes«, wies mich Moriyama zurecht. »Die japanische Industrie hat immer langfristig gedacht, die westliche dagegen immer nur bis zum nächsten Quartalsabschluß. Wäre es anders gewesen, wäre eine Raumstation wie diese schon vor zehn Jahren gebaut worden, und zwar unter der Regie aller amerikanischen Energieerzeuger.«
    Ich nickte.
    Ich sah Moriyama an, wie er da saß und auf ganz unjapanische Art die Dinge beim Namen nannte. Er mußte an die fünfzig Jahre alt sein, und sein Haar begann schon an vielen Stellen weiß zu werden. Auf eine natürliche Weise strahlte er Autorität aus, und er war der einzige an Bord, mit dem ich mich auf der Erde gern in irgendeiner Kneipe getroffen hätte, um über die Welt und das Leben zu diskutieren. Er hatte mir einmal erzählt, daß er ein paar Jahre in Santa Barbara, Kalifornien, studiert hatte, und wir hatten herausgefunden, daß wir uns im Sommer 1990 zur gleichen Zeit im Flughafen von San Francisco aufgehalten haben mußten. Er war damals zurück nach Japan geflogen, ich dagegen nach Kansas City, um mich von meinen Eltern zu verabschieden. Damals war ich Kampfflieger der US Air Force gewesen, und ich hatte einen Befehl in der Tasche getragen, der mich in die Wüste von Saudi-Arabien beorderte, zu einer Operation namens Desert Shield…
    »Davon abgesehen«, fuhr er fort, »kann ich mir auch politische Gründe vorstellen. In Ihrem schönen Heimatland zum Beispiel gibt es viele Leute, die den Weltraum als amerikanisches Territorium betrachten. Grundsätzlich sind sie zwar dafür, daß die Menschen das All erobern, aber sie haben etwas dagegen, daß diese Menschen Schlitzaugen haben.«
    Ich hob die Augenbrauen. »Dann müßten Sie eigentlich mich verdächtigen.«
    Er sah mich an und lächelte. »Sie sind es nicht.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Dai rokkan«, sagte er und klopfte sich mit dem Zeigefinger auf den Nasenflügel. »Spürnase. Sechster Sinn.«
    Nun gut, was mich anbelangte, trog ihn sein sechster Sinn durchaus nicht. Ich ließ die Gesichter der Crew vor meinem inneren Auge Revue passieren. »Gibt es jemanden, den Ihr dai rokkan im Verdacht hat?« fragte ich.
    »Leider nicht. Bisher kann ich mich dem Problem nur auf
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