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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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Veranda. Und lass dir Zeit, es ist ja noch früh.«
    »Das kann man wohl sagen …«, knurrte Hanno und ließ sich in die Kissen zurückfallen.
    Die Veranda war ein großer Wintergarten, in dem sie ihre Mahlzeiten einnahmen – ein heller, freundlicher Raum mit großen Sprossenfenstern und voll mit Pflanzen, die von Carla liebevoll gepflegt wurden. In dem mannshohen offenen Kamin an der Stirnseite des Zimmers loderte bereits ein helles Feuer. Bis zum Frühjahr würde es nicht mehr ausgehen, genauso wie jenes in der Bibliothek. Das waren die beiden Räume, die sie ihr Winterquartier nannten. Eine Dienstmagd würde dafür sorgen, dass die beiden Feuer Tag und Nacht brannten. Nur wenn sie Gäste hatten, wurden auch die übrigenRäume beheizt und die Mahlzeiten im großen Speisesaal eingenommen.
    Auf Carlas Läuten erschien Franz, in den Händen ein großes Tablett mit Kaffee, Aufschnitt, einer Schüssel mit weich gekochten Eiern und herrlich duftendem frisch gebackenem Brot. In Ostpreußen wurde viel gegessen. Und Hanno war ein besonders guter Esser, fand Carla. Zehn Eier zum Frühstück, zahlreiche Brote mit Butter, Wurst und Schinken und mindestens eine Kanne Kaffee waren seine erste Mahlzeit. Carla wunderte sich schon seit Jahren, wie Hanno seine Figur behielt. Er war ein großer, stattlicher Mann. Auch jetzt, mit Mitte fünfzig, sah er noch blendend aus. Sein Gesicht war vom vielen Ausreiten immer leicht gebräunt, und unter den buschigen Augenbrauen leuchteten stahlblaue Augen. Ein kurzer Bart bedeckte sein kantiges Kinn, was ihm, wie Carla fand, besonders gut stand.
    »Frau Baronin sind früh auf«, bemerkte Franz. »Brot und Eier sind gerade erst fertig geworden.«
    »Ist schon gut.« Carla gähnte herzhaft. »Es ist ja noch nicht einmal richtig hell.« Sie trank einen Schluck Kaffee. »Schicken Sie mir bitte die Mamsell und lassen Sie den Landauer anspannen. Nach dem Frühstück …«
    »Ist bereits veranlasst–«
    Carlas Blick sprach Bände. »Äh … ik schick Ihnen dann man jleich Elfriede«, stotterte Franz. Es war ihm peinlich, beim Lauschen erwischt worden zu sein, und deshalb vergaß er für einen Moment sein vornehmes Hochdeutsch und verfiel in den ostpreußischen Dialekt. Eilig verließ er den Raum.
    Carla war wütend. Vielleicht sollte sie Hanno bitten, wenigstens die Tür vor der Bibliothek polstern zu lassen.
    Es klopfte, und Elfriede, die Mamsell, kam herein.
    »Guten Morgen, Elfriedchen.« Carla bediente sich des in Ostpreußen häufig gebrauchten Diminutivs –- an alles wurde ein »chen« angehängt.
    Elfriede hatte sich vor Carla aufgebaut, die kräftigen Arme unter dem üppigen Busen verschränkt. »Du siehst aber jar nich jut aus.«
    »Danke, Elfriede, nett von dir. Du baust mich ja richtig auf.« So vertraulich gingen sie nur miteinander um, wenn sie allein waren. In Gegenwart anderer, auch von Hanno, war Carla die Frau Baronin. Das war ein ungeschriebenes Gesetz.
    Elfriede war im selben Monat auf Troyenfeld geboren wie Carla, nur nicht als Komtesschen, sondern als Tochter der dortigen Mamsell, Emma Jankuhn. Den beiden kleinen Mädchen aber war das egal. Als die Gräfin im Kindbett starb, galt die ganze Aufmerksamkeit Leopold, dem männlichen Erben. Carla, gerade mal fünf Jahre alt und ein kleines, unglückliches Wesen, war mehr in der Küche als in den herrschaftlichen Räumen des Schlosses zu finden. Wenn sie traurig war und weinte, drückte die rundliche Mamsell sie an ihren üppigen Busen und tröstete sie, und die kleine Elfriede hatte Mitleid mit dem Kind, das keine Mutter mehr hatte. Sie wurden Freundinnen, bis Carla heiratete und jahrelang im Ausland war. Nach ihrer Rückkehr nach Buchenhain holte sie Elfriede, die von ihrer Mutter hervorragend kochen gelernt hatte, als Mamsell zu sich auf das Gut. Elfriede war ihre Vertraute.
    »Du hast es ja sicher schon gehört«, sagte Carla.
    »Du weißt doch, der Franz hat zu jute Ohren …« Elfriede grinste.
    »Was sagst du denn dazu? Der Leopold will endlich heiraten, und nun ist es ausgerechnet eine Frau mit einem schlechten Ruf. Ich bin verzweifelt!«
    »Nu lass et man jut sein.« Elfriede schenkte Carla Kaffee nach. »Vielleicht stimmt dat ja allet jar nich, wat da über die Dame jeredet wird. Vielleicht lieben se sich ja. Ik kann mir keenen anderen Jrund vorstellen bei dem Leopold.«
    »Ich glaube eher, mein Bruder hat den Verstand verloren«, seufzte Carla. Auf ihrem blassen Gesicht waren schon wieder rote Flecken erschienen. »Und was
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