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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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heißt hier Liebe! Ehen werden nicht im Himmel geschlossen. Das weißt du doch.«
    Als sie vor fünfundzwanzig Jahren Hanno heiratete, war von Liebe nicht die Rede gewesen. Er hatte ihr für kurze Zeit den Hof gemacht und dann bei ihrem Vater um ihre Hand angehalten. »Du solltest akzeptieren. Harvich ist eine gute Partie«, sagte ihr Vater, und dieser Satz ließ keinen Widerspruch zu. Sie kam auch gar nicht auf die Idee abzulehnen. Mädchen hatten zu gehorchen, sittsam zu sein und ihrem Mann zu dienen. So war sie erzogen worden. Und sie hatte diese Ehe nie bereut. Hanno war ein guter Ehemann, nicht besonders zärtlich und manchmal etwas cholerisch, aber er war großzügig, und ihr luxuriöses Leben im Ausland und auch jetzt in Ostpreußen gefiel ihr. Außerdem betrog er sie nicht, so wie Irinas Mann, der ständig Affären hatte, über die ganz Königsberg Bescheid wusste.
    »Nu reg dir man nich so uff«, flüsterte Elfriede, die Hanno vor der Tür mit Franz reden hörte. »Wird schon allet nich so schlimm werden.«
    Aber es sollte noch viel schlimmer kommen, als Carla befürchtete.
     
    Die regennasse Straße wand sich den Hügel hinauf. Die ganze Fahrt über blies ein eiskalter Ostwind und schob tief liegende schwarze Wolken vor sich her. Gott sei Dank hatte es aufgehört zu regnen. Carla trieb das Pferd zur Eile an. Ihr war mulmig zumute. Einerseits konnte sie es kaum erwarten, ihren geliebten Bruder in die Arme zu schließen, andererseits fürchtete sie, dass er ihre Bedenken nicht hören wollte. »Nimm dir bloß zusammen«, hatte Elfriede ihr noch beim Hinausgehen zugezischt, und auch Hanno hatte versucht, ihr ins Gewissen zu reden. »Ich bitte dich, sei diplomatisch. Wenn Leopold sich entschlossen hat, diese Frau zu heiraten, wirst du ihn mit Sicherheit nicht davon abhalten können.«
    Endlich tauchte vor ihr Schloss Troyenfeld auf. Als sie in die große Auffahrt einbog, brach die Sonne durch die Wolkendecke und ließ den nicht weit entfernt fließenden Pregel wie ein silbernes Band glitzern. Sie liebte diesen weiten Blick hinab in das Pregel-Tal, hinweg über den gepflegten Park mit seinen gewundenen Kieswegen und den unzähligen, zu verschiedenen Formen geschnittenen Buchsbäumchen, mit deren Pflege das ganze Jahr über ein Heer von Gärtnern beschäftigt war. Noch zogen die weißen Schwäne ihre Bahnen auf dem Schlossteich. Aber bald würden sie in ihr Winterquartier umziehen müssen.
    Von der nahen Remise eilte ein Knecht herbei, um das schweißnasse, dampfende Pferd zu versorgen. Carla lief, ihren Rock unschicklich gerafft, die breite Freitreppe hinauf. Bevor sie den eisernen Türklopfer betätigen konnte, öffnete bereits ein livrierter Diener die schwere Eingangstür.
    »Wo finde ich meinen Bruder, Alfons?«, fragte Carla.
    »Die Herrschaften sind im kleinen Salon.«
    Carla blieb wie angewurzelt stehen. »Welche Herrschaften …?«
    »Der Herr Graf und die Frau Gräfin.« Das Gesicht des Dieners zeigte keinerlei Regung. »Das junge Paar ist gestern aus St. Petersburg angereist.«
    Carla wich alle Farbe aus dem Gesicht. Ihr war, als täte sich der Boden unter ihren Füßen auf.
    »Fühlen Sie sich nicht wohl, Frau Baronin?«, fragte der Diener besorgt. »Möchten Sie sich einen Moment setzen, während ich Sie anmelde?«
    »Danke, Alfons.« Carla hatte ihre Fassung wiedergewonnen. »Sie müssen mich nicht anmelden. Wie Sie wissen, kenne ich den Weg.«
    Langsam ging sie den endlosen Korridor hinunter, an dessen Ende sich der kleine Salon befand. Sie zitterte am ganzen Körper. Wie konnte Leopold ihr das antun? Heiraten, ohne sie zu informieren, und so überstürzt! Alles, was sie ihm sagen wollte, ihre Bedenken gegen diese Verbindung und all die Sorgen, die sie sich deswegen gemacht hatte, war mit einem Schlag bedeutungslos geworden.
    »Carla, geliebtes Schwesterchen, du bist ja schon da.« Mit ausgebreiteten Armen kam Leopold auf sie zu und drückte sie fest an sich. »Wir haben euch erst später erwartet. Wo ist überhaupt Hanno?«
    »Er musste nach Königsberg. Die Depesche kam erst gestern Abend, und da konnte er seine Verabredungen nicht mehr absagen.« Ihre Stimme klang kühl. »Aber wenn er gewusst hätte …« Ihr Blick streifte die große, schlanke Gestalt, die regungslos vor dem hohen Fenster stand.
    »Natascha, Liebling, komm her. Ich möchte dir meine Schwester vorstellen. Der Mensch, den ich außer dir ammeisten liebe«, rief Leopold. Carlas offensichtliche Verstimmung ignorierte er
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