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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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mich um das Gut kümmern«, hatte er Carla erklärt, »sonst geht dort alles zugrunde.«
    »Aber du bist doch kein Landwirt, du bist Diplomat!« Carla war fassungslos gewesen. »Wie willst du denn dasriesige Gut bewirtschaften? Davon verstehst du doch gar nichts.«
    »Erst mal ist es wichtig, dass ich da bin. Und dann werde ich einen fähigen Verwalter suchen. Danach sehen wir weiter.«
    Mit Schröder hatte Hanno bald den richtigen Mann gefunden, und zu Carlas Enttäuschung lehnte er alle Anfragen des diplomatischen Corps, ob er nicht in seine frühere Position zurückkehren wolle, freundlich, aber bestimmt ab. »Vielleicht später einmal«, sagte er. Im Moment war er nicht gewillt, sein beschauliches Leben wieder aufzugeben. Er liebte die Jagd, das Whist-Spiel mit seinen Freunden und hin und wieder einen Theater- oder Opernbesuch in Königsberg. Carla musste sich fügen.
    »Hast du etwas von Leopold gehört?«, fragte Hanno.
    »Er ist schon wieder in St. Petersburg.« Carla war aufgestanden, um ein Holzscheit nachzulegen. »Keine Ahnung, was er da dauernd macht. Wenn ich ihn frage, tut er schrecklich geheimnisvoll.«
    Leopold Graf von Troyenfeld war Carlas jüngerer Bruder. Schloss Troyenfeld lag unweit von Buchenhain, mit einem schnellen Pferd war es einen zwanzigminütigen Ritt entfernt. Hier waren sie und Leopold aufgewachsen. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter hatte Carla deren Stelle eingenommen. Obwohl nur fünf Jahre älter als ihr Bruder, fühlte sie sich seitdem für ihn verantwortlich.
    »Dein Bruder ist achtunddreißig, er muss dir ja nun wirklich nicht alles erzählen.« Hanno lachte.
    »Ich finde, er sollte endlich heiraten«, sagte Carla. »Troyenfeld braucht einen Erben, und überhaupt …« Sie machte eine nachdenkliche Pause. »Er sitzt da so allein in dem großen Schloss …«
    »Allein! Dass ich nicht lache. Soweit ich weiß, hat er ständig Gäste, das Schloss ist voll mit Freunden und schönen Frauen. Er genießt sein Leben.« Hanno goss sich noch einen Cognac ein. »Du solltest aufhören, dich ständig um ihn zu sorgen. Du bist wirklich wie eine Glucke.«
    »Ich weiß, du hast ja recht.« Carla seufzte tief. »Aber ich kann einfach nicht anders.«
    Hanno lächelte milde. Sie waren kinderlos geblieben, zu Carlas großem Kummer, und nun lebte sie ihren ganzen Mutterinstinkt an ihrem kleinen Bruder aus.
    »Ich finde wirklich, Leopold sollte langsam zur Vernunft kommen. Was sind denn das überhaupt für Frauen, die sich da bei ihm herumtreiben? Zur Ehefrau taugt doch da garantiert keine.« Carla verzog das Gesicht.
    Hanno antwortete nicht darauf. Er wusste, diese Diskussionen führten zu nichts. Natürlich hatte er von den wilden Festen gehört, die sein Schwager in seinem Schloss feierte. Das Personal redete, und Franz war sein verlässlichster Informant. Aber er hütete sich, seiner Frau davon zu erzählen. Sollte Leopold doch sein Leben genießen! Er, Hanno, hatte vollstes Verständnis dafür. Um das Thema zu beenden, sagte er: »Nun lass ihn, deinen Bruder. Irgendwann wird er schon die Richtige finden.«
    Dabei war sich Hanno gar nicht so sicher. Vor Kurzem erst hatte Leopold mit ihm gesprochen. »Warum soll ich heiraten. Die Welt ist voll von schönen Frauen. Und um mich herum sehe ich lauter unglückliche Ehepaare. Außer euch natürlich … Also, warum soll ich mir das antun? Nur um einen Erben zu produzieren? Das hat ja wirklich noch Zeit.« Damit war die Angelegenheit für ihn erledigt gewesen.
    Carla hatte zu lesen begonnen, und Hanno war froh, dass das leidige Thema »Leopold« an diesem Tag so schnell beendet war. Er zündete sich erneut seine Zigarre an, die ausgegangen war, als es leise klopfte und Franz die Bibliothek betrat. »Eine Depesche, Exzellenz«, sagte Franz leise. »Ich dachte, es könnte wichtig sein.« Franz war schon mehr als dreißig Jahre in Hannos Diensten, hatte die Harvichs auf allen Auslandsreisen begleitet und war nicht davon abzubringen, seinen Herrn Exzellenz zu nennen.
    Hanno nahm das Kuvert von dem silbernen Tablett. »Danke, Franz. Sie können dann zu Bett gehen. Wir brauchen Sie nicht mehr.«
    »Gute Nacht, Frau Baronin, Exzellenz.« Mit einer Verbeugung zog der Diener die Tür hinter sich zu.
    Hanno war sich sicher, dass er noch lauschen würde. Bei all seiner Treue unterschied Franz sich nicht von den anderen Dienstboten, die immer alles über ihre Herrschaft wissen wollten.
    Carla ließ ihr Buch sinken. »Was ist, wer hat depeschiert?«, fragte sie
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