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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition)
Autoren: Petra Durst-Benning
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kämpferischen Vereinskameradin.
    Die Ziellinie bestand aus zwei abgesägten Bäumen, an deren frisch belaubte Äste jemand viele goldene Bänder geknüpft hatte. Sie flatterten fröhlich im Wind. Dieses Bild werde ich nie vergessen, dachte Josefine bei sich und spürte vor Rührung einen Kloß in ihrem Hals.
    Lauter Jubel brandete auf, als die drei Frauen nach sechzig Stunden und tausend Kilometern mit den Kräften am Ende, aber glücklich über die Ziellinie fuhren.
    Huldvoll wie Königinnen winkten Jo, Irene und Luise der Zuschauermenge zu, und Tränen der Freude liefen Jo übers Gesicht. Sie lachte und weinte zur selben Zeit. Gänsehaut vom Haaransatz bis zu den Zehenspitzen überkam sie. Hatte sie es wirklich geschafft? Ja, sie hatte es geschafft. Weder von Wind und Wetter noch von Pannen, Isabelles Unfall oder ihren elenden Wadenkrämpfen hatte sie sich unterkriegen lassen!
    Mühevoll stieg Jo vom Rad. Ihr ganzer Körper war so müde und überreizt, dass Arme und Beine wie Espenlaub zitterten.
    Im nächsten Moment lag sie Irene und Luise in den Armen. Unter den Blicken der begeisterten Menge vollführten sie einen Freudentanz. Dass Susanne Lindberg und zwei weitere Fahrerinnen schon knapp sechs Stunden zuvor im Ziel angekommen waren, tat ihrer Freude keinen Abbruch. Und dass die Dänin Leon Feininger und den anderen mitfahrenden Männern auch noch drei Stunden Zeit abgenommen hatte, war die beste Nachricht überhaupt. Veit Merz, ihr Berliner Vereinskamerad, hatte wegen Knieproblemen frühzeitig aufgeben müssen, und mit ihm weitere vierzehn Fahrer und Fahrerinnen, so dass am Ende lediglich die Hälfte aller Starter das Ziel erreicht hatte.
    »Danke«, sagte Josefine, als sie und Irene in Richtung der improvisierten Umkleideräume gingen. Dort würden sie sich waschen und umziehen können. »Ohne dich hätte ich wahrscheinlich aufgegeben.«
    »Blödsinn«, erwiderte Irene brüsk. »Eine Neumann gibt nicht auf! Und ich schätze mal, eine solche wirst du bald werden. Schau, dort hinten kommt Adrian …«
    Vergessen waren die müden Beine. Josefine rannte auf ihren Liebsten zu.
    Alles war gut. Alles würde gut werden.
    »Ich bin so stolz auf dich«, flüsterte Adrian ihr ins Ohr, als sie sich nach stürmischen Umarmungen und Küssen wieder etwas beruhigt hatten. »Tausend Kilometer auf dem Rad … Ihr seid die ersten Frauen, die das geschafft haben. Mit diesem Rennen habt ihr wirklich bewiesen, dass Frauen in diesem Sport genauso viel leisten können wie Männer.«
    Mit glänzenden Augen schaute Jo ihn an. »Meinst du?«
    Adrian nickte. »Die weiblichen Kunden werden bei uns Schlange stehen, wenn sie hören, was du geleistet hast. Dieses Rennen ist eine großartige kostenlose Werbung fürs Damen-Radfahren! Und du bist die beste Werbefigur, die man sich vorstellen kann.«
    Josefine runzelte zum Schein die Stirn. »Ich und eine Werbefigur? Wer sagt dir denn, dass ich umsonst zu haben bin? Ein bisschen musst du mir schon bieten, immerhin bin ich jetzt eine Siegerin !« Die letzten Worte sagte sie mit gespielter Arroganz.
    »Wie wäre es damit?« Mit einer eleganten Handbewegung zog Adrian ein Lederetui aus seiner Tasche und ließ es vor ihren Augen aufschnappen.
    Josefine stieß einen gedämpften Schrei aus, als sie den goldenen Ring mit dem roten Schmuckstein erblickte.
    »Der Rubin steht für dein Kämpferherz«, sagte Adrian mit belegter Stimme. »Du hast mich gelehrt, wie wichtig es ist, seine Träume nicht nur zu träumen, sondern für sie zu kämpfen. Ohne dich würde ich heute wahrscheinlich immer noch im Kontor meines Vaters sitzen und Zahlen von links nach rechts bewegen.«
    Verlegen schaute Jo zu Boden. »Das ist doch –«, begann sie, doch Adrian legte ihr zärtlich, aber bestimmt einen Finger auf die Lippen.
    »Du bist für mich die schönste, beste und wunderbarste Frau auf der ganzen Welt. Ein Leben ohne dich kann ich mir nicht mehr vorstellen, ein Leben mit dir dafür umso besser.« Auf Adrians Gesicht lag ein Ausdruck von Liebe und Eindringlichkeit, wie Jo ihn noch nicht bei ihm gesehen hatte. »Willst du mich heiraten?«
    »Oh«, sagte sie mit kleiner Stimme. »Wenn das so ist …« Sie schlang ihre Arme um seinen Hals, stellte sich auf Zehenspitzen und küsste ihn auf den Mund. »Ja, ich will«, hauchte sie und hoffte, dass ihr Mundgeruch nach sechzig Stunden ohne Zähneputzen nicht allzu schlimm war.

Epilog
    Vier Wochen später in Berlin
    Zum wiederholten Male rannte Josefine aus der Halle
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