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Söldner des Geldes (German Edition)

Söldner des Geldes (German Edition)

Titel: Söldner des Geldes (German Edition)
Autoren: Peter Beck
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haben vorhin miteinander gesprochen. Ich bin Winter und möchte die Frau sehen, deren Mobiltelefon Sie vorhin gefunden haben. Ich kenne sie. Sie heisst Anne. Wo ist sie?»
    Oberholzer nickte im Dunkeln: «Dort oben neben dem Cockpit. Sie wurde beim Aufprall herausgeschleudert.»
    «Darf ich sie sehen?» Winter lehnte sich leicht gegen Oberholzer, der seinen Widerstand aufgab. Wortlos drehte sich der Polizist um, und zusammen stiegen sie die letzten paar Meter zu den Resten des Helikopters hoch. Die Stahlträger der Verbauung hatten sich in die Glaskuppel des Cockpits gebohrt. Die verbogenen Kufen ragten in die Luft. Eine Tür war halb abgerissen. Strittmatter war kopfüber im Cockpit angegurtet und starrte Winter aus leblosen Augen an. Die geschwärzten Arme baumelten herunter. Es roch nach verbranntem Fleisch. Das Mikrofon des Helms steckte tief in seinem Mund. Strittmatter war persönlich geflogen. Die Schuldgefühle packten Winter wieder. Er starrte zurück und schloss seine Augen.
    Er drehte den Kopf, und als er die Augen wieder öffnete, erkannte er im Strahl der Polizeitaschenlampe eine komplett verkohlte, verrenkte Gestalt. Al-Bader. Winter dachte: «Es wird wohl einige Zeit dauern, bis er zweifelsfrei identifiziert ist. Er war ja gar nicht hier.»
    Neben dem Helikopter stand ein Feuerwehrmann mit Helm, aber sonst in Zivil. Und ein junger Bursche, mit langen blonden Haaren. Der Alphirt. Winter reichte ihnen wortlos die Hand, und beide nickten zur Begrüssung.
    Oberholzer sagte: «Die Frau ist dort. Aber nicht berühren. Sie ist ein Beweisstück.» Er zeigte auf eine dunkle Stelle bei einem Busch, etwa fünf Meter neben dem Wrack. Auf den ersten Blick hätte es sich auch um einen dunklen Stein handeln können. Winter unterdrückte sein Bedürfnis, dem Dorfpolizisten für dessen Wortwahl das Genick zu brechen, und sagte nur: «Danke.»
    Anne war seitlich aus dem Helikopter geschleudert worden.
    Winter stieg vorsichtig zu Anne hinüber. Auf dem Weg zu ihr stiess er an den leeren Feuerlöscher. Sie hatte versucht, das Feuer zu löschen und Al-Bader zu retten. Winter blieb stehen und sog die modrige Luft des Höllentobels tief in seine Lunge. Er hatte schon einige Tote gesehen. Aber Anne war anders.
    Anne lag auf dem Bauch. Der Hosenanzug verkohlt. Die Hosen stärker als das Jackett. Die Kleider waren zerrissen. Winter erkannte darunter Annes weisse Bluse, und an einigen Stellen schimmerte ihre zarte Haut. Die Beine waren unnatürlich verdreht, das Rückgrat geknickt. Wahrscheinlich hatte ihr der Aufprall die Wirbelsäule gebrochen. Wenigstens hatte Anne nicht gelitten.
    Winter fuhr sich mit gespreizten Fingern durch seine Haare und hob das Gesicht mit den zusammengekniffenen Augen gegen den dunklen Nachthimmel. Warum? Warum gerade Anne? Verflucht. Der Tornado in seinem Innern war zum Orkan angewachsen. Hilflos war Winter dem Ansturm von Wut, Schmerz, Trauer und verzweifelter Schuld ausgeliefert. Warum nur musste es Anne treffen? Ein schwerer Klumpen bildete sich in der Brust. Winters Organe verkrampften sich und zwangen ihn, den Kopf zu senken. Seine Augen waren feucht.
    Winter ging neben Anne in die Hocke und fand endlich den Mut, ihr Gesicht zu betrachten.
    Anne schaute gegen den Bergbach. Das Gesicht war mit Russ verschmiert und ruhte auf einem Felsen. Wie ein Daunenkissen. Das Haar floss. Sie hatte die Augen geschlossen und wirkte wunderschön friedlich.
    Da war sie wieder, die Stille im Auge des Orkans. Nur er und Anne. Eine grosse Klarheit ergriff Besitz von ihm. Er liebte Anne. So einfach war das. Er würde sie immer lieben. Auch wenn sie tot war. Tom Winter streckte seine Hand aus und berührte sanft Annes Haare. Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
    Dann schloss er die Augen und sah tief in seinem Innern Annes lachendes Gesicht. Wie sie im Frühsommer auf der unfertigen Terrasse gestanden hatte und scherzend Vorschläge für deren Bepflanzung gemacht hatte. Toskana oder doch Südfrankreich. Hauptsache, es duftete nach Sommer auf dem Land. Diese Leichtigkeit, dieses Lachen würde er nie vergessen. Ihre Augen sprühten vor Lebensfreude.
    Er öffnete die Augen wieder und sah, wie seine Hand Annes Wange liebkoste. Er hielt inne, zog die Hand zurück und ballte diese zur Faust. Winter hob das Kinn und schüttelte unmerklich den Kopf. Dabei bemerkte er bei Annes linker Hand die Dekorationsschleife der Pralinenschachtel. Er steckte sie ein. Zur Erinnerung.
    Winter stand auf und blieb mit gebeugtem Kopf
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