Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker

Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker

Titel: Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker
Autoren: Susanne U. Wiemer
Vom Netzwerk:
flüsterte ein junger Akolyth. »Ja, wir folgen ihm.«
    »Eure schwarzen Götter waren Mummenschanz«, knurrte Karstein grob. »Ihr habt vor einer Puppe gezittert, ihr habt sinnlos gefoltert und getötet.«
    Wut flammte in den Augen des bärtigen Nordmanns.
    Die schwarzen Götter - das war die ungeheuerlichste Lüge, das niederträchtigste Verbrechen. In ihrem Namen hatten die Priester ihre blutige Herrschaft ausgeübt. In ihrem Namen waren immer wieder Tod und Verderben über die Stämme des Tieflands gekommen, war Charrus Schwester bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust gerissen worden. Nichts konnte die Erinnerung an all das sinnlos vergossene Blut auslöschen.
    »Gleichviel«, sagte der rothaarige Gillon von Tareth hart. »Selbst die Priester ziehen es offenbar vor, ins Ungewisse zu gehen, statt sich in die Hände dieser - dieser erfinderischen Ungeheuer zu geben. Wer von uns sollte da anderer Meinung sein?«
    »Niemand.« Camelo straffte sich. »Wir alle wollen weiterziehen, Charru.«
    »Und die Frauen? Tanit? Katalin?«
    Ein blondes Mädchen warf das Haar zurück. Sie hatte die bernsteinfarbenen Augen der Thorn, und von ihrer Sippe war niemand mehr am Leben.
    »Du hast uns diese Frage schon einmal gestellt, als wir unter dem Mondstein lebten, Charru. Damals beschlossen wir, lieber mit unseren Kindern den Tod in den Flammen zu suchen als in die Sklaverei der Priester zu gehen. Die Antwort ist immer noch die gleiche. Zu viele Menschen haben unsere Freiheit mit ihrem Tod bezahlt. Es darf nicht sein, daß sie umsonst starben.«
    Charru nickte.
    Sekundenlang schien sein Blick durch alles hindurchzugehen. Vor seinen Augen dehnte sich die rote Wüste, doch er sah ein anderes Bild: die Steppen des Tieflands im Widerschein der Flammenwände, Mornags Königshalle, die schimmernden Kuppeln der Tempelstadt. Die Welt unter dem Mondstein existierte nicht mehr, das Spielzeug war zerbrochen. Aber sein Volk lebte. Der Eid, den er am Scheiterhaufen seines Vaters geschworen hatte, galt immer noch. Die Stämme folgten ihm, und er mußte sie führen, auch wenn die Furcht vor der Zukunft wie ein bleiernes Gewicht auf ihm lastete.
    Als er sich dem schlanken blondhaarigen Venusier zuwandte, glich sein Gesicht einer bronzenen Maske.
    »Wir werden weiterziehen«, sagte er hart. »Du bist frei, Conal Nord.«
    *
    Staub flirrte im Sonnenglast und ließ die Gestalten verschwimmen.
    Der Gouverneur der Venus stand allein auf der schimmernden Brücke. Ein Schritt zur Seite, ein paar Minuten auf dem lautlos laufenden Transportband, und er würde wieder die schattige Kühle des Regierungspalastes erreichen, würde die blutbefleckte Tunika wechseln und die Strapazen der Nacht bei einer Behandlung im Relax-Zentrum vergessen. Aber er wartete noch. Er wußte, daß die Barbaren keinen unbeobachteten Schritt getan hatten, daß sie in einem unsichtbaren Netz gefangen waren. Die kalten, allgegenwärtigen Fernsehaugen des Überwachungssystems erfaßten jeden Winkel der Stadt, so wie die Feldsteuerungen der Klimaanlage die Temperaturen jede Minute des Tages auf konstanten neunzehn Grad Celsius hielten. Die Männer des Vollzugs würden schwitzen, wenn sie außerhalb von Kadnos ihre klimatisierten Gleiter-Jets verließen. Sie würden Angst haben und deshalb gnadenlos sein.
    Warum nur wollten sich diese starrköpfigen Barbaren nicht ergeben?
    Conal Nord schloß die Augen. Er dachte an jenen anderen Mann, dem er vor zwanzig Jahren gegenübergestanden hatte und in dessen sanften venusischen Zügen die gleiche Unbeugsamkeit lag wie in dem harten Gesicht des jungen Barbarenhäuptlings. Damals, entsann sich Nord, waren es ganz ähnliche Worte gewesen, die er gebraucht hatte.
    »Ergebt euch! Noch kann ich euch versprechen, daß ihr glimpflich davonkommt. Wenn ihr ein einziges Schiff der marsianischen Raumflotte auch nur ankratzt, ist euch der Mond auf Lebenszeit sicher.«
    Der andere hatte nur den Kopf geschüttelt.
    Mark Nord, Bruder des Generalgouverneurs der Venus, offizieller Leiter des Projekts Merkur und später Anführer einer Schar rebellischer Siedler. Sie wollten nicht aufgeben, als sich herausstellte, daß der Merkur unbewohnbar war. Sie wollten den Planeten für sich für ihre verrückten Ideen. Aber die Gesetze der Vereinigten Planeten erlaubten nicht, daß Bürger ihre Kräfte sinnlos vergeudeten, statt sie in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen.
    Conal Nord hatte seinen Bruder dem Vollzug ausgeliefert.
    In seiner Stellung als Gouverneur der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher