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Social Netlove

Social Netlove

Titel: Social Netlove
Autoren: J Strack
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extragroßes Pizzastück in den Mund und kaute mürrisch darauf herum.
    »Was ist los?« Ich blickte meinen besten Freund fragend an, doch der zuckte nur bedauernd mit den Schultern und ließ sich endlos viel Zeit, um das Stück Teig inklusive des vor Fett triefenden Schinkens herunterzuschlucken.
    »Also?«
    »Hrmpf«, brummte er und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Ich habe Gregor neulich im Internet getroffen.«
    »Getroffen?« Ich grinste. Das war typisch für Thomas – er redete vom World Wide Web, als handele es sich dabei um eine richtige Stadt, in der man sich zufällig treffen und eine Runde quatschen konnte.
    »Wo bitteschön hast du ihn denn
getroffen
? Beim Einkaufen?« Ichknuffte Thomas lachend in den Unterarm.
    »Haha. Ich war beruflich unterwegs«, antwortete Thomas und zog die linke Augenbraue hoch. »Zurzeit überprüfe ich einige Sicherheitstools in Dating Communities. Neulich morgens habe ich mir eine der Websites angesehen, um einen Eindruck von der Page im Generellen zu bekommen. Und was glaubst du, wer mich da von einem sepiafarbenen Profilbild im Mitgliederbereich angegrinst hat?!«
    »Gregor?«, fragte ich rhetorisch und Thomas nickte zustimmend.
    »Es ist aber nicht nur irgendeine normale Dating-Seite, sondern vielmehr eine Anlaufstelle für das kurze Online-Vergnügen zwischendurch. Dabei darf der Mann am Ende richtig tief in die Tasche greifen.«
    »Das ist ja erbärmlich … Dann können wir uns ja denken, was Gregor im Büro tut, während Isa sich um das kleine Monster kümmert, das er ihr angedreht hat.« Ich seufzte traurig. »So viel also zum Thema unbeschreibliches, wertvolles Familienglück!«
    »Vielleicht solltest du Isa sagen, dass ihr Mann sich auf solchen Seiten vergnügt.«
    »Ich weiß nicht, ob das im Moment der richtige Schachzug wäre … Isa hat in Bezug auf Gregor noch nie auf mich gehört. Sie ist einfach zu verblende, gerade jetzt, wo ihre Welt nur noch aus babyblauen Mützchen und extra-sanften Feuchttüchern besteht. Sie lässt doch sowieso nichts auf ihre wundervolle Familie kommen und ich werde mich da auch nicht einmischen. Sie wollte ihren Gregor, bitte, jetzt hat sie ihn«, sagte ich entschlossen und nahm noch einen großen Schluck von dem Wein. Der süßlich-herbe Nachgeschmack prickelte auf meiner Zunge und erwärmte langsam das Blut in meinem ganzen Körper. Müde streckte ich meine Beine auf Thomas' heller Ledercouch aus und schob mir ein braunes Satinkissen in den Rücken. Eine geschmackvolle Einrichtung sah definitiv anders aus, doch für Ästhetik hatte Thomas – abgesehen von seinem Interesse für Isabelle – keinen Sinn. Und bei den vielen verschiedenen Stoffen und Materialien, die sich auf sechzig Quadratmetern wiederfanden, vertrat ich stur den Verdacht, Thomas‘ Inneneinrichter sei ein blinder Schimpanse gewesen, dem es einfach nur große Freude bereitet hatte, möglichst viele unterschiedliche Sinneseindrücke aneinander zu reihen.
    »Was ist denn mit dir los? Da hast du endlich einen handfesten Grund, Isa vor Gregor zu warnen …«
    »Ach, ich habe es satt, vor ihr so dazustehen, als ob ich ihr ihre Familie nicht gönnen würde. Und mal ganz abgesehen davon interessiert sie sich ja auch nicht mehr sonderlich für mein Leben.«
    Ich nippte erneut an meinem Glas und versuchte, die Gedanken an früher zu verdrängen. Solche gemütlichen Fernseh- und Weinabende hatte ich während der letzten Jahre ständig mit meiner Freundin verbracht – zunächst noch als Lernabende bei Isa getarnt, denn meine Eltern hätten überhaupt nichts davon gehalten, dass ihre sechzehnjährige Tochter ab und an ein Gläschen Alkohol trank. Und dann, nach dem Abitur, in einer unserer Wohnungen, die nur sechs Straßenbahnstationen auseinandergelegen hatten. Nun wohnte Isa am anderen Ende der Stadt, in einer der überteuerten Altbauvillen mit stuckverzierten Decken, steinernen Statuen und filigranen Verzierungen an der Fassade.
    »Ach Thomas … was ist bloß mit Isa und mir passiert?« Ich sah meinen Freund unglücklich an und es hätte nicht mehr viel gefehlt und ich hätte wie ein trotziges Kind weinerlich mit dem Fuß aufgestampft. Der Alkohol hatte sich offenbar in meinen Sentimentalitätssinn vorgekämpft. »Wir waren doch mal
so
!« Ich überkreuzte Zeigeund Mittelfinger. »Und jetzt verbinden uns nur noch irgendwelche Erinnerungen an frühere Zeiten … Ist das nicht unfassbar traurig?«
    Thomas lächelte nachsichtig und nahm mir die Flasche Wein
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