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So zärtlich war das Ruhrgebiet

So zärtlich war das Ruhrgebiet

Titel: So zärtlich war das Ruhrgebiet
Autoren: Laabs Kowalski
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schluchzen und erzählte uns
von schrecklichen Erlebnissen auf dem Kriegsschiff Prinz Eugen. Anschließend
schämte er sich seiner Tränen, und um die Peinlichkeit, die er empfand, zu
kompensieren, wurde er plötzlich albern, hampelte herum und führte groteske
Tanzschritte vor. Das war noch viel, viel schlimmer. Es machte einen fertig,
denn plötzlich hatte man Mitleid mit ihm.
     
    Zu Weihnachten bekam ich einen schwarzen Lodenmantel,
eine Kompaktanlage und von Tante Christa die LP Led Zeppelin IV , auf der
sich ihr allerbester Song, „Stairway to Heaven“, befand.
    Am zweiten Weihnachtstag
versammelte sich die ganze Familie bei Omma Zarth. Es war das erste
Weihnachtsfest, an dem auch Tante Kristina teilnehmen konnte. Nach vielen
Scherereien, Bestechungen, mutwillig in den Weg gelegten Hindernissen und
anderen Komplikationen hatte sie endlich eine Ausreisegenehmigung erhalten und
war im Herbst nach Deutschland gekommen.
             In der Küche erzählte mir Onkel Bernhard einen
Witz: „Stehen zwei Doofe am Abgrund. Fragt der eine: „Soll ich dich mal
runterstoßen?“ Sagt der andere: „Nee!“
             Ich kriegte mich vor Lachen kaum ein.
             „Verdammtes Schrankbett!“, sagte mein Vater.
„Kein Wunder, dass der Junge nicht mehr alle Datteln an der Palme hat.“
             Dann wurde der Tisch freigemacht, um Karten zu
spielen. Ich verlor fast alles Geld, das ich zum Fest geschenkt bekommen hatte.
Ich hatte wirklich nicht mehr alle Datteln am Stamm.
     
    1978 – Ga Bu Zo Meu
     
    1978 war
ein ganz besonderes Jahr, denn ich bekam meinen allerersten Kuss. Mit Zunge! Und
Speichel! Und zwar von Gabriele Batt. Was sollte mir das Leben nun noch bieten
können? Hatte ich nun nicht wirklich alle Wunder, mit denen es aufwarten konnte,
erlebt?
    Noch aber war es nicht soweit,
das Jahr hatte gerade erst begonnen und rückte zunächst eine ganz andere Frau
in mein Bewusstsein: Debbie Harry. Im Februar tauchte sie mit ihrer Band
Blondie erstmals im Fernsehen auf, mit einer Coversersion des Songs „Denis“ von
Randy And The Rainbows, und sie machte uns alle nervös: Rüdiger Leifeld, Martin
Woyschewski, mich und Ulrich Kuffel und selbst neunzigjährige Greise, Blinde
und Frauen. Aber nicht etwa schmutzige Gedanken flammten auf, wenn man sie im
Fernsehen oder in den Zeitschriften sah – nein, man wollte sie verehren,
anbeten und sich opfern für sie.
                                                                                                            
    Im Dritten startete eine dreizehnteilige Historienreihe
mit dem Titel „Ich, Claudius, Kaiser und Gott“. Alles war komplett im Studio
gedreht, und es gab auch keine Kämpfe mit Feinden der Römer, trotzdem verpasste
Mama nicht einen einzigen Teil.
    Neu waren auch die
Nachrichtensendungen in der ARD und im ZDF, die jetzt „Tagesthemen“ und „heute
journal“ hießen. Die gute, alte Tagesschau gab es aber immer noch.
    Überhaupt startete eine ganze Reihe
neuer Serien, etwa „SOKO 5113“ und „Starsky & Hutch“, und im WDR lief ab
Februar anstelle von „Klimbim“ nun die Sendung „Zwei himmlische Töchter“ mit
Ingrid Steeger und Iris Berben als ehemalige Go-Go-Girls Kiki und Chantal, die
von einem Gast der „Bum Bum Bar“ eine Fluggesellschaft geerbt hatten, die
Donnerflug-Gesellschaft, die jedoch nur aus einer einzigen Maschine, einer
alten Ju 52, bestand. Sehr komisch waren die Folgen „Ein Sarg nach Leech“, in
der auf einem einsamen schottischen Schloss der mysteriöse „Pfeifer“ sein
Unwesen trieb, und „Ein Cowboy nach Pamplona“ mit Gaststar Eddie Constantine,
der einen abgehalfterten Westerndarsteller spielte. – „Was darf’s denn sein,
Fremder?“
    Für das meiste Aufsehen sorgte
jedoch die US-Serie „Roots“, die das Schicksal eines schwarzen Sklaven namens
Kunta Kinte, eines Mandingo-Kriegers, und seiner Nachfahren thematisierte. Im
März startete die dreizehnteilige Serie „Ein Mann will nach oben“, und im April
tauchte mit „Neues aus Uhlenbusch“ eine weitere Kinderserie auf. Ganz schön
viel, was man jetzt alles gucken musste, wenn man in der Schule mitreden
wollte. Das seltsamste, was im Fernsehen lief, war allerdings ein Vierteiler
mit dem Titel „Britta“. Sie handelte von der neunzehnjährigen
Bundesbahnassistentin Britta (Verena Plangger), die es in einen
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