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So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

Titel: So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
Autoren: Mohsin Hamid
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es. Ihr küsst euch.
    Als der Tod des hübschen Mädchens kommt, geschieht es zum Glück rasch. Die Diagnose lautet, dass der Krebs sich von der Bauchspeicheldrüse aus im ganzen Körper ausgebreitet hat. Ihr Arzt ist erstaunt, dass sie äußerlich in so guter Verfassung ist. Er gibt ihr noch drei Monate, aber sie hält nur die Hälfte durch, und sie weigert sich bis zum Ende, als schon das Atmen schwerfällt, das Rauchen aufzugeben. Es ist sinnlos, sie in eine Klinik einzuweisen, und so verbringt sie die letzten Wochen zu Hause, versorgt von einer Krankenschwester, ihrem Faktotum und natürlich dir, der du versuchst, ihre Lieblingsfilme aufzutreiben, damit sie sie sich ein letztes Mal ansehen kann. Ausgedehntes Kuscheln hat sie nie gemocht, und als sie sich nun an dich lehnt und du ihr über die spärlichen weißen Haare streichen darfst, bist du nicht ganz sicher, ob sie es dir erlaubt, um dich zu trösten oder um getröstet zu werden.
    »Ich will nicht, dass du allein bist«, sagt sie eines Nachmittags zu dir, als du deinen Tee schlürfst.
    »Das werde ich nicht sein«, sagst du. Du versuchst noch zu sagen, dass ja das Faktotum da ist und auch ihre Mieterin und am Telefon dein Sohn. Aber du bist außerstande, die Wörter zu bilden.
    Die Medikamente lindern ihre Schmerzen nicht, aber sie machen sie weniger zentral, stattdessen baut sich in ihrem Zentrum der Wunsch auf, loszulassen. Als sie sich ihrem Ende nähert, kostet es sie einiges, angefasst zu werden, Gesellschaft irritiert sie leicht, wie die letzte Fleischfaser, die einen lockeren Milchzahn mit dem Kiefer verbindet. Ein fast schon biologischer Drang zu gehen ist in ihr, ein Gebärdrang, und am Ende kann sie nur mit starker Berücksichtigung dessen, was gewesen ist, mit anderen Worten, Liebe, von ihren Wehen aufblicken, um dir zuzulächeln oder die Hand zu drücken.
    Sie stirbt an einem stürmischen Morgen, die Augen offen. Du arrangierst ihre Bestattung auf einem Friedhof, der zu ihrer Gemeinde gehört. Sie mag nicht viel mit ihr zu tun gehabt haben, aber du weißt nicht, wo sie sonst bestattet werden sollte. Außer einem Prediger, zwei Totengräbern und einer gierenden Schar Klageweiber, die mit rüstigem Engagement und feuchten Augen jammern, seid ihr nur zu dritt.
    Die Schauspielerin, die bei dem hübschen Mädchen zur Miete gewohnt hat, bleibt noch eine Weile, weil das hübsche Mädchen sie darum gebeten hat, doch sie fühlt sich unwohl in einem Haus, das ansonsten nur von Männern bewohnt wird, und zieht trotz der niedrigen Miete schließlich aus. Das Faktotum bleibt, teils aus Loyalität dem hübschen Mädchen gegenüber, teils auch, weil es einfach ist, bei dir Geld abzusahnen. Das nimmst du ihm nicht krumm. Du hast es ja genauso gemacht. Es ist das Recht der Armen. Stattdessen bist du ihm dankbar für seine Hilfe, seine Weigerung, dir mit Gewalt deine wenigen verbliebenen Besitztümer zu entreißen. Der Wasserdruck in dem Stadthaus ist so sehr gefallen, dass es ewig dauert, bis deine Wanne voll ist, daher musst du mit einem Schwamm gereinigt werden, wobei du nackt auf einem Plastikhocker im Badezimmer sitzt und dabei zuweilen einen gewaltigen Furz lässt, und das macht das Faktotum für dich zweimal die Woche, ohne zu klagen.
    Bis du eines Tages in einem Klinikbett aufwachst, angehängt an Anschlüsse für Strom, Gas und Flüssiges. Deine Exfrau und dein Sohn sind da, und sie sehen ein wenig zu jung aus, und da überfällt dich kurz Panik, als hättest du die Klinik nie verlassen, als wäre das letzte halbe Jahrzehnt deines Lebens bloß eine Fantasie gewesen, aber dann kommt das hübsche Mädchen herein. Auch sie ist ein wenig zu jung, und vielleicht hat sie gerade von deinem Herzinfarkt erfahren und ist von ihrem Haus in der Stadt am Meer herbeigeeilt. Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Sie ist da. Und sie kommt zu dir, und sie spricht nicht, und die anderen nehmen sie nicht wahr, und sie nimmt deine Hand, und du machst dich zum Sterben bereit, wissend, dass das alles eine Illusion ist, ein letztes Aroma, erzeugt von dem chemischen Eintopf, der dein Gehirn ist, das bald seine Funktion einstellen wird, und dann ist nichts mehr da, und du bist bereit, bereit, gut zu sterben, bereit, wie ein Mann zu sterben, wie eine Frau, wie ein Mensch, denn trotz allem anderen hast du geliebt, du hast deinen Vater und deine Mutter geliebt und deinen Bruder und deine Schwester und deinen Sohn und, ja, deine Exfrau, und du hast das hübsche Mädchen geliebt, du
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