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So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

Titel: So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
Autoren: Mohsin Hamid
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der Böschung begibt, hinter der er gern seine Notdurft verrichtet, sich hinhockt und kräftig drückt, um den Inhalt seines Darms hinauszupressen. Vielleicht ist er allein, vielleicht aber auch nicht.
    Bei der Böschung verläuft eine markante Senke, so tief wie ein Mann hoch, und am Grund dieser Senke fließt ein dünnes Rinnsal. Zu dieser Jahreszeit passen die beiden nicht zusammen, der ausgemergelte Insasse eines Konzentrationslagers im Kittel eines übergewichtigen Konditors. Nur kurz, während des Monsuns, füllt sich die Senke fast bis zum Rand, und selbst dieses Ereignis tritt jetzt weniger regelmäßig auf als in der Vergangenheit, da es von der zunehmend launischen atmosphärischen Zirkulation abhängt.
    Die Leute deines Dorfs erleichtern sich etwas weiter flussabwärts von der Stelle, wo sie ihre Kleider waschen, die wiederum flussabwärts von der Stelle liegt, wo sie trinken. Die Dörfer vor dem deinen, weiter flussaufwärts, machen es genauso. Noch weiter aufwärts, wo das Wasser als ein zuweilen sprudelnder Bach aus den Hügeln tritt, wird es teils für die industriellen Verfahren einer alten, rostigen Textilfabrik mit geringer Kapazität verwendet, teils wird das dabei entstehende graue, wie Fürze riechende Abwasser darin eingeleitet.
    Dein Vater ist Koch, doch obwohl er sich auf seine Arbeit einigermaßen versteht und vom Lande kommt, ist er nicht eben besessen von der Frische oder Qualität seiner Zutaten. Für ihn ist Kochen ein Handwerk mit Gewürzen und Öl. Seine Speisen verbrennen die Zunge und verstopfen die Arterien. Wenn er hier um sich blickt, sieht er keine stacheligen Blätter, keine behaarten kleinen Beeren für einen spritzigen Salat, keine goldbraunen Weizenähren, steingemahlen, für einen himmlischen Ballon auf der Herdplatte gebackenen Fladenbrotes. Stattdessen sieht er Zeiteinheiten erschöpfender Plackerei. Er sieht Stunden, Tage, Wochen, Jahre. Er sieht die harte Arbeit, mit der ein Bauer seine zugewiesene Zeit in dieser Welt gegen eine andere zugewiesene Zeit in dieser Welt eintauscht. Hier in dem berauschenden Bukett der Speisekammer der Natur riecht dein Vater nur Sterblichkeit.
    Die meisten Männer aus dem Dorf, die jetzt in der Stadt arbeiten, kehren zur Weizenernte zurück. Aber dafür ist es noch zu früh im Jahr. Dein Vater ist auf Urlaub hier. Gleichwohl wird er wahrscheinlich seine Brüder begleiten und den Vormittag damit verbringen, Gras und Klee für Futter zu schneiden. Wieder wird er sich hinhocken, diesmal aber mit der Sichel in der Hand, und seine Bewegungen des Packen-Schneiden-Loslassen-Weitertapsen werden sich endlos wiederholen, so wie auch die Sonne ihre ansteigende Bahn am Himmel zieht.
    Neben ihm läuft ein schmaler Weg durch die Felder. Sollten der Grundbesitzer oder seine Söhne in ihrem SUV vorbeifahren, legen dein Vater und seine Brüder die Hand an die Stirn, verbeugen sich tief und wenden den Blick ab. Seit Jahrhunderten, vielleicht seit Anbeginn der Geschichte, ist es in dieser Gegend eine riskante Angelegenheit, dem Blick eines Grundbesitzers zu begegnen. In jüngster Zeit haben einige Männer allerdings damit begonnen. Aber sie tragen einen Bart und verdienen sich ihren Unterhalt in den Betschulen. Sie gehen aufrecht, Brust raus. Dein Vater gehört nicht dazu. Er mag sie sogar fast so wenig wie die Grundbesitzer, und aus denselben Gründen. Er findet sie herrisch und faul.
    Wie du so auf der Seite liegst, ein Ohr auf der gestampften Erde, siehst du aus deiner Perspektive eines hochgereckten Wurms, wie deine Mutter deinem Vater auf den Hof folgt. Sie füttert die Wasserbüffelkuh, die dort angebunden ist, wirft am Vortag geschnittenes Futter, vermischt mit Stroh, in einen Holztrog und melkt das Tier, während es frisst. Strahlen klatschen hart in einen Blecheimer. Als sie damit fertig ist, führen die Kinder des Compounds, deine Geschwister und Cousins und Cousinen, die Büffelkuh, ihr Kalb und die Ziegen hinaus auf Futtersuche. Du hörst das Zischen der geschälten Zweige in ihren Händen, dann sind sie weg.
    Als Nächstes verlassen deine Tanten den Compound, sie tragen Tonkrüge auf dem Kopf, um Wasser zu holen, auch Kleider und Seife zum Waschen. Das sind gemeinschaftliche Aufgaben. Die Verantwortung deiner Mutter dagegen ist einsam. Sie allein, die anderen zusammen. Das ist kein Zufall. Sie hockt sich genauso hin, wie dein Vater es wahrscheinlich tut, statt einer Sichel einen stiellosen Besen in der Hand, und ihr Fegen-Fegen-Tapsen kommt seinen
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