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So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

Titel: So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
Autoren: Mohsin Hamid
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Sie sieht dich als Jungen und als Mann. Sie sieht, wie du ihre Einsamkeit verringerst, und, bedeutsamer noch, sie sieht dich sehen, was in ihr den sonderbarsten aller Wünsche auslöst, den ein Ich für ein Du haben kann, den Wunsch, dass du weniger einsam bist.
    An einem Abend, nachdem ihr euch einen Film angesehen habt in einem Kino, das euch ob der Größe seiner Leinwand, der Qualität seines Tons und der Kostspieligkeit seines Popcorns verblüfft, aber auch ob der Plötzlichkeit, mit der unter den Teenagern davor eine Prügelei ausbricht, in deren Verlauf du, als einer aus der Gruppe zurückweicht, versehentlich zu Boden gestoßen wirst und eine schwere Prellung am Oberschenkel davonträgst, Gott sei Dank aber nichts gebrochen ist, lädt das hübsche Mädchen dich zu sich nach Hause ein. Die beiden Mieterinnen grinsen, als ihr hereinkommt, offenkundig erfreut darüber, dass die Vermieterin Herrenbesuch hat, und verziehen sich mit wissenden Blicken.
    »Möchtest du was trinken?«, fragt das hübsche Mädchen.
    »Ich soll eigentlich nicht«, sagst du.
    »Ein halbes Glas Wein?«
    Du nickst.
    Sie holt eine offene Flasche aus dem Kühlschrank. »Setz dich doch«, sagt sie und schenkt euch beiden ein.
    Ihr nippt an euren Gläsern. Schweigen senkt sich herab.
    »Sollen wir nicht lieber in mein Zimmer gehen?«, fragt sie.
    »Ja.«
    Sie führt dich an der Hand hinein und schließt die Tür hinter dir. Sie macht kein Licht.
    »Einen Moment«, sagt sie und geht ins Bad.
    Du bangst im Dunkeln um dein Gleichgewicht.
    »Wo ist das Bett?«
    »Oh, entschuldige.« Sie lotst dich hin, eine Hand auf deiner Taille. »Da.«
    Du setzt dich. Die Matratze ist fest. Du tastest mit der Hand herum, entdeckst eine Wand und lehnst vorsichtig deinen Stock dagegen. Aus dem Badezimmer dringt ein schwacher Schein unter der Tür hindurch, auch Geräusche sind zu hören, ein Scharren, fließendes Wasser, das Spülen eines Toilettenstuhls. Du musst ebenfalls, doch du unterdrückst den Drang. Das hübsche Mädchen bleibt eine ganze Weile weg.
    Als sie zurückkommt, setzt sie sich neben dich. Ihr küsst euch. Sie schmeckt nach Mundwasser. Sie ist jetzt im Nachthemd, und durch den Stoff hindurch fühlt deine Hand ihre Rippen, ihren Bauch, ihre Brüste so unglaublich weich wie eine zweite Haut. Sie hilft dir aus deinen Sachen. Sie zieht rhythmisch an dir, und glücklicherweise wirst du steif, begünstigt vielleicht vom Druck deiner vollen Blase auf die Prostata. Sie trägt eine Salbe aus einem Töpfchen auf dem Nachttisch zwischen ihren Beinen auf und legt sich dann auf die Seite, den Rücken an deiner Brust. Du fummelst ein bisschen, aber dann kannst du in sie hinein. Du bewegst dich. Sie berührt sich. Du umfasst sie mit einem Arm.
    Keiner von euch kommt zum Höhepunkt. Du erschlaffst noch vor diesem Augenblick. Allerdings, das sollte auch gesagt sein, erreichst du doch eine Freude und einen gewissen Trost, und als du hinterher daliegst, ein wenig unerfüllt und verlegen, kicherst du unerwartet los, und sie fällt ein, und es ist das beste und wärmste Lachen, das ihr beide seit langem erlebt habt.

12
    DENK AN EIN AUSSTIEGSSZENARIO
    Dieses Buch wird wohl, wie ich jetzt zugeben muss, nicht die allerbeste Anleitung gewesen sein, um im boomenden Asien stinkreich zu werden. Zweifellos ist eine Entschuldigung am Platz. Doch zu diesem späten Zeitpunkt bringen Entschuldigungen allein wenig. Weit nützlicher wäre es, so mein Vorschlag, wenn wir uns den unausweichlichen Ausstiegsszenarien zuwendeten, deinen wie meinen, denn Bereitsein ist in diesem lebenslangen Fall schon fast die ganze Miete.
    Wir alle sind Flüchtlinge aus unserer Kindheit. Und daher wenden wir uns unter anderem Geschichten zu. Eine Geschichte zu schreiben, eine Geschichte zu lesen heißt, Flüchtling aus dem Flüchtlingsstatus zu sein. Schreibender wie Lesender suchen nach einer Lösung des Problems, dass die Zeit vergeht, dass diejenigen, die gestorben sind, gestorben sind, und diejenigen, die sterben werden, das heißt also, wir alle, sterben werden. Denn es hat einmal einen Augenblick gegeben, in dem alles möglich war. Und es wird einen Augenblick geben, in dem nichts mehr möglich ist. Aber in der Zwischenzeit können wir gestalten.
    Während du diese Geschichte gestaltest und ich diese Geschichte gestalte, möchte ich dich gern fragen, wie es war. Ich möchte dich gern nach dem Menschen fragen, der dir die Hand gehalten hat, wenn du Staub in die Augen bekommen hast, oder mit dir
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