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So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

Titel: So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
Autoren: Mohsin Hamid
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erörtern du und das hübsche Mädchen das, was ehemalige Liebende, die sich nach einem halben Leben wiedersehen, üblicherweise erörtern, nämlich die Gesundheit, die Kurven ihres Werdegangs, gemeinsame Erinnerungen, ja, und dabei lacht ihr viel, dann auch, wo ihr jetzt gerade wohnt, und beiläufig, so peripher, dass es lediglich gestreift wird, ob ihr momentan denn single seid. Eure Bedienung ist höflich, sieht sie doch zwei ältere Leute, die, vorgebeugt, ins Gespräch vertieft sind, was du natürlich ebenfalls siehst, nur dass das nicht alles ist, denn über der reduzierten Gestalt des hübschen Mädchens liegt eine größere, kräftigere, schwungvollere Essenz, vielleicht flackert sie auch eher in ihr, im Moment glücklich und noch imstande, in der Feuchtigkeit eines Auges zu tanzen.
    »Wie seltsam, dass wir das Wort Ruhestand verwenden«, sagt das hübsche Mädchen und trinkt ihren Tee aus.
    »Wir sind arbeitslos«, verbesserst du sie. »Das klingt lebendiger als pensioniert.«
    »Suchst du denn Arbeit?«
    »Nein.«
    »Dann also Ruhestand.«
    Du schenkst zwei Gläser Wasser ein.
    »Mach doch ein Einstellungsgespräch mit mir«, sagst du und reichst ihr ihres. »Und ich mit dir. Dann sind wir arbeitslos.«
    Sie trinkt einen Schluck. »Aber nur, wenn keiner von uns eingestellt wird.«
    Am nächsten Tag rufst du sie an, und in den folgenden Wochen trefft ihr euch immer wieder, geht einmal abends in einem Restaurant essen, vereint euch ein andermal in einem Park zu einem langsamen Spaziergang. Ihr erkundet das größte Museum der Stadt aus der Kolonialzeit und ihren beißend aromatischen Zoo, Attraktionen, die du zuletzt besucht hast, als dein Sohn noch in die Schule ging. Im Zoo bist du überrascht, wie günstig der Eintritt ist, und auch vom Umfang der Anlage, der größer als in deiner Erinnerung wirkt, obwohl du das Gegenteil erwartet hast. Das hübsche Mädchen bestaunt das Aviarium, du die Flusspferde, die vom grasigen Ufer ihres Geheges anmutig in einen schlammigen Tümpel gleiten. Sie lenkt deine Aufmerksamkeit auf die vielen jungen Männer, die da sind und deren Akzente und Dialekte häufig aus entlegenen Bezirken stammen. Sie rufen den Tieren amüsiert und verwundert zu oder sitzen in Gruppen auf den zahlreichen Bänken, die im Schatten stehen. Im Zoo sind Schilder aufgestellt, die die tägliche Nahrungsaufnahme seiner prominentesten Bewohner aufführen, und gelegentlich ist ein des Lesens kundiger Besucher zu hören, der seinen Begleitern die ungeheuren Mengen Nahrung vorliest, die für den Unterhalt dieses oder jenes Tiers erforderlich sind.
    In Gesellschaft des hübschen Mädchens legst du einen kleinen Teil der räumlichen Isolation ab, die du dir auferlegt hast, wagst dich ein Stückchen weiter in die Stadt, da du ja wegen der Anwesenheit einer Freundin mehr Grund dazu hast als zuvor und auch, weil du dich als Teil einer Zweiergruppe nicht ganz so fürchtest wie allein. Ja, die Stadt ist weiterhin periodisch gefährlich, beispielsweise wegen des hitzigen Drängens ihrer Fahrzeuge, der krassen Temperaturen und der Resistenz ihrer Mikroorganismen gegen Antibiotika, ganz zu schweigen von der Energie ihrer menschlichen Raubtiere, und besonders in deinem Alter musst du immer auf der Hut sein. Doch du genießt euren tastenden, gemeinsamen Wiedereintritt, denn eigentlich bräuchte die Stadt nicht ganz so furchterregend zu sein, und tatsächlich, wenn man sie mit dem Humor betrachtet, der einer Gefährtenschaft erwachsen kann, erscheinen wesentliche Teile weitgehend machbar, jedenfalls momentan, solange noch ein gewisses Maß an körperlicher Vitalität da ist.
    Zuweilen ist das hübsche Mädchen schockiert von deinem Anblick, erlebt den Schock, sterblich zu sein, dich als einen am Stock gehenden Spiegel zu sehen, als die unausweichliche Gleichzeitigkeit deiner gebrechlichen, ausgezehrten Gestalt mit der ihren. Diese Eindrücke tauchen eher in den ersten Momenten eurer Begegnungen auf, wenn die Abwesenheit einiger Tage sich wie ein weiches Tuch über ihr visuelles Kurzzeitgedächtnis gelegt hat. Aber rasch kommen auch andere Daten dazu, wahrscheinlich fängt es bei deinen Augen und deinem Mund an, und ihr Bild von dir löst sich in etwas anderem auf, etwas Zeitlosem oder, wenn schon nicht ganz zeitlos, so doch noch immer Schönem, gut Aussehendem. In deiner Art, den Kopf zu recken, sieht sie deine Wahrnehmung der Welt um dich herum, in deinen Händen deine bewehrte Sanftheit, in deinem Kinn dein Naturell.
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