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So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

Titel: So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
Autoren: Mohsin Hamid
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aus dem Regen gerannt ist. Ich möchte gern noch ein wenig hier bei dir verweilen oder, falls Verweilen unmöglich ist, mein Hier transzendieren, mit deiner Erlaubnis, in deiner Gestaltung, die für mich so verlockend ist und so fremd. Dass ich es nicht kann, hält mich nicht davon ab, es mir vorzustellen. Und wie seltsam, dass ich es, wenn ich es mir vorstelle, auch fühle. Die Fähigkeit zur Empathie ist etwas Komisches.
    Zur Illustration dessen wollen wir einen Fisch betrachten, der nicht rülpsen kann. Wir sehen ihn jetzt, wie er, aufgehängt in seiner Glasschale, schwerelos an einem wolkengeblähten Himmel schwebt. Das Wasser ist so klar, dass es fast unsichtbar ist, und wäre da nicht die Schale, es würde aussehen, als flöge er in der Luft, angetrieben vielleicht von dem Flattern seiner kleinen Flossen. Er ist den Meeren entflohen, den Seen, den Teichen und hängt jetzt da, frei, in Sonnenlicht und Wärme getaucht. Und dennoch quält ihn etwas zutiefst. Es ist ein Stechen, eine Blase, die in seiner Fischspeiseröhre festsitzt. Wenngleich himmlisch, engelsgleich, leidet er doch. Er müht sich. Und sind unsere Herzen bei ihm? Ja, sie sind es. Rülps doch, lieber Freund. Warum rülpst du nicht?
    Derweil lebt direkt unter diesem luftigen ichthyologischen Drama, genauer gesagt, eine Berghöhe tiefer und daher auf der Erde, ein alter Mann mit einer alten Frau in einem kleinen Stadthaus. Du und das hübsche Mädchen, ihr seid zusammengezogen. Sie hat eine Mieterin verloren, und dein Verstand gleitet ein wenig ab, nicht immer, aber manchmal weißt du nicht genau, wo du bist, und daher ist das Leben in einem Hotel problematisch geworden. Ihr teilt kein Schlafzimmer, da das hübsche Mädchen das noch nie gemacht hat und der Ansicht ist, dass es ein bisschen spät ist, um damit anzufangen, aber die Tage verbringt ihr gemeinsam, mal fröhlich, mal mürrisch, mal still oder wohlig, und wenn euch beiden danach ist, auch die Nächte, und ihr legt eure schwindenden Ersparnisse zusammen, die von der Inflation rasch abgetragen werden.
    Ihr geht nicht mehr so oft aus, und die einzigen anderen Leute, die ihr regelmäßig seht, sind die eine dem hübschen Mädchen gebliebene Mieterin, die Schauspielerin, und das Faktotum des hübschen Mädchens, das dir hilft, wenn du verwirrt bist, und das dich an deinen Vater erinnert, auch wenn sie äußerlich verschieden sind. Vielleicht liegt es daran, dass er ein unterwürfiger Mann ist, ein Hausdiener, und fast so alt wie dein Vater, als dieser starb.
    Du sitzt auf einem neu bezogenen Stuhl, auf dem Schoß eine Zeitung, in den Ohren laute Musik, zu der das hübsche Mädchen rauchend mit dem Kopf wippt, und genießt einen milden Herbstnachmittag, als du zu deiner Überraschung die Türklingel hörst, und dann steht dein Sohn vor dir. Du hast vergessen, dass er kommt. Du stehst auf, um ihn zu begrüßen, und wirst in einer wilden und doch fürsorglichen Umarmung hochgerissen. Er küsst das hübsche Mädchen auf die Wange, und auch sie empfindet das Rieseln der Zeit, denn sie sieht ein Abbild deines jüngeren Selbst, wenn auch eine besser gekleidete Version mit einem gezierten Gang, ganz das Gegenteil des deinen. Sie bietet ihm eine Zigarette an, und zu ihrer Befriedigung nimmt er sie. Du spürst, dass sie an dem Jungen Gefallen findet, was dich glücklich macht. Er ist groß geworden, auch wenn das für einen Mann von dreißig Jahren ungewöhnlich sein muss, und selbst im Sitzen überragt er dich.
    Es ist der erste Besuch deines Sohnes seit Jahren, endlich ein Bürger seines neuen Landes und frei zu reisen, und du unterdrückst mühsam deinen unterschwelligen Groll gegen seine Entscheidung, sich auf eine so verheerend harte Weise aus deiner Gegenwart zu verabschieden. Du spürst eine Liebe, die du ihm, das weißt du, niemals angemessen erklären oder ausdrücken kannst, eine Liebe, die nur in eine Richtung fließt, die Generationen hinab, nicht umgekehrt, und die erst verstanden und erwidert wird, wenn die Zeit aus einer jüngeren Generation eine ältere gemacht hat. Er sagt dir, dass er gerade von einem Besuch bei deiner Exfrau kommt. Es geht ihr gut, sagt er, und ihr Wiedersehen war tränenreich und liebevoll, und er war einverstanden, über gewisse Dinge nicht zu sprechen, und sie hat ihrerseits nicht danach gefragt.
    Einen Monat lang steckt ihr, du und das hübsche Mädchen, in einem Wirbelsturm aus Verabredungen, zumeist zu Hause, dein Sohn kocht für euch oder bringt einen geliehenen
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