Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
Die Alternativen waren beide gleich erbärmlich.
    Um den Abend nicht allein in seiner Bude verbringen zu müssen, hatte er sich freiwillig für die Feiertagsbereitschaft gemeldet, aber die Bürger von South Cheshire schienen an diesem Heiligabend allesamt bemerkenswert brav zu sein, was er herzlich bedauerte. Am Ende hatte er die Hoffnung aufgegeben, dass sich noch etwas tun würde, und hatte das deprimierend stille Revier verlassen.
    Einen Augenblick lang hatte er mit dem Gedanken gespielt, Peggy anzurufen, um ihr frohe Weihnachten zu wünschen, aber das hätte wahrscheinlich bedeutet, dass er sich zu einer gesitteten Konversation mit Bert hätte zwingen müssen, und so weit ging seine weihnachtliche Nächstenliebe nun auch wieder nicht.
    Also doch Bier und Glotze – und er würde sich die Bettdecke ins Wohnzimmer holen, um die ausgefallene Heizung zu kompensieren. Er wollte schließlich nicht, dass seine Beamten ihn erfroren auf dem Sofa fanden, wenn er nach den Feiertagen nicht wieder zum Dienst erschien. Obwohl es Peggy ganz recht geschähe, der blöden Kuh, dachte er mit einem verächtlichen Schnauben, wenn sie auf ihren Society-Empfängen sein beschämendes Ableben erklären müsste. Andererseits – »gestorben in Erfüllung seiner Dienstpflicht«, das würde ihr Konversationsstoff für viele Jahre liefern. Und er hatte nicht die Absicht, ihr diesen Gefallen zu tun.
    Er hatte gerade den Kühlschrank aufgemacht und beim Anblick der einen einsamen Dose Lager und der Schinkenscheiben, die sich am Rand schon rollten, frustriert aufgestöhnt, als das Handy an seinem Gürtel zu vibrieren begann. Noch bevor er einen Blick auf die Nummer geworfen hatte, wusste er, dass es nur die Leitstelle sein konnte – niemand sonst würde ihn am Heiligabend anrufen.

    »Lieber Gott, ich danke dir«, stieß er seufzend hervor, die Augen zum Himmel erhoben, während er das Handy aufklappte.
     
    Sie saßen zusammengekauert in Juliets Lieferwagen und ließen den Motor laufen in der Hoffnung, dem Gebläse ein wenig warme Luft zu entlocken. Die Fenster waren von ihrem Atem schon ganz beschlagen, und um sie herum wirbelte immer noch der Schnee, der sie von der Außenwelt abschloss.
    Kincaid musste plötzlich daran denken, wie er und Juliet als Kinder einmal aus Versehen einen Nachmittag lang im Kohlenkeller eines Nachbarn eingeschlossen worden waren. Er hatte damals ständig Science-Fiction-Romane verschlungen, und als sie dort im Dunkeln gekauert und sich aneinandergedrängt hatten, in scheinbar völliger Isolation, hatte er sich ausgemalt, dass sie die zwei letzten Menschen auf der Erde wären. Zum Glück war irgendwann der Nachbar nach Hause gekommen und hatte ihre Rufe gehört, und so waren sie noch einmal glimpflich davongekommen, waren lediglich ausgeschimpft und ohne Abendessen ins Bett geschickt worden. Aber das seltsam erregende Angstgefühl dieser langen Stunden hatte er nie vergessen.
    Neben ihm zog Juliet einen Handschuh aus und hielt die bloße Hand prüfend an die Lüftung. Sie verzog das Gesicht und streifte ihn wieder über. »Immer noch eiskalt«, brummte sie. »Ob es wohl noch lange dauert, bis die Polizei da ist?«
    Kincaid erinnerte sich daran, wie sie es immer abgelehnt hatte, getröstet zu werden, und gab ihr deshalb keine beruhigende Antwort. »Würde mich nicht wundern. Sie werden heute wahrscheinlich bloß mit einer Rumpfbelegschaft fahren, und das Wetter ist auch nicht gerade hilfreich.« Er hatte, nachdem er die Ortspolizei verständigt hatte, zunächst Gemma und seine Eltern angerufen, um ihnen die Situation zu erklären,
doch als er Juliet sein Handy angeboten und sie gefragt hatte, ob sie Caspar anrufen wolle, hatte sie abgelehnt.
    Kincaid hatte seinen Schwager nie sonderlich gemocht – die überhebliche Art dieses Mannes brachte ihn auf die Palme -, aber es bestürzte ihn, wie unglücklich seine Schwester sich anhörte. Er würde sich allerdings hüten, neugierige Fragen zu stellen – oder wenn, dann jedenfalls möglichst taktvoll.
    »Wie läuft denn dein neues Geschäft?«, fragte er.
    Juliets Miene verriet ihm, dass es die falsche Frage gewesen war. »Das war mein erster großer Auftrag. Wir hatten wegen des schlechten Wetters sowieso schon Probleme, den Zeitplan einzuhalten, und jetzt auch noch diese Geschichte …« Sie zuckte resignierend mit den Achseln. »Und was das Ganze noch schlimmer macht – der Kunde ist ein Freund von Piers …« Sie verstummte und schüttelte den Kopf, wobei sich noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher