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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe
Autoren: Michael Connelly
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es fast so aus, als hätte da jemand eine Botschaft übermitteln wollen.«
    »Eine Botschaft aus Deutschland.«
    »Richtig.«
    Ich erinnerte mich daran, dass der Staatsanwalt Rilz’ Angehörigen verkündet hatte, ich würde Johann eine Woche lang durch den Schmutz ziehen. Lieber waren sie ferngeblieben, als sich das anzutun. Und Elliot wurde ermordet, bevor es dazu kam.
    »Parabellum«, sagte ich. »Wissen Sie, was das auf Lateinisch heißt, Detective?«
    »Ich habe kein Jura studiert. Was?«
    »Bereite dich auf den Krieg vor. Es ist Teil eines Sprichworts. Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor. Wie geht es mit dem Ermittlungsverfahren weiter?«
    Bosch zuckte mit den Achseln.
    »Ich kenne zwei Beverly-Hills-Detectives, für die eine schöne Deutschlandreise dabei herausspringt. Die lassen ihre Leute Business Class fliegen, mit Sitzen, die sich zu Betten ausklappen lassen. Die werden da drüben die üblichen Schritte unternehmen und mit der gebührenden Gründlichkeit vorgehen. Aber wenn der Anschlag halbwegs ordentlich durchgeführt worden ist, wird nichts dabei herauskommen.«
    »Wie haben sie die Waffe hier rübergeschafft?«
    »So schwierig ist das gar nicht. Entweder über Kanada oder mit FedEx.«
    Ich musste an Elliot denken und an die ausgleichende Gerechtigkeit. Irgendwie schien Bosch zu ahnen, was mir durch den Kopf ging.
    »Wissen Sie noch, was Sie zu mir gesagt haben, unmittelbar nachdem Sie Richterin Holder mit ihren Machenschaften konfrontiert hatten?«
    Ich zuckte mit den Achseln.
    »Was denn?«
    »Manchmal kann die Gerechtigkeit nicht warten.«
    »Und?«
    »Damit hatten Sie vollkommen Recht. Manchmal wartet sie nicht. In diesem Prozess lief alles zu Ihren Gunsten, und es sah so aus, als käme Elliot ungeschoren davon. Deshalb beschloss jemand, nicht auf die Gerechtigkeit zu warten und sein eigenes Urteil zu fällen.«
    Ich nickte. Ich verstand. Eine Weile sagten wir beide nichts mehr.
    »Tja, das war’s erst mal von mir«, sagte Bosch schließlich. »Ich muss jetzt los, ein paar Leute hinter Gitter bringen. Das wird ein guter Tag.«
    Bosch stieß sich vom Geländer ab und schickte sich zum Gehen an.
    »Wirklich komisch, diese Begegnung heute«, sagte ich. »Erst gestern Abend habe ich mir vorgenommen, etwas zu fragen, wenn wir uns das nächste Mal sehen.«
    »Ja, was?«
    Ich überlegte kurz, dann nickte ich. Es war richtig, es zu tun.
    »Es betrifft die Kehrseiten desselben Bergs. Weißt du, dass du unserem gemeinsamen Vater sehr ähnlich siehst?«
    Er erwiderte nichts, sondern blickte mich nur kurz an, bevor er nickte und sich wieder zum Geländer drehte. Er starrte auf die Stadt hinaus.
    »Wann bist du drauf gekommen?«, fragte er schließlich.
    »So richtig erst seit gestern Abend, als ich mir mit meiner Tochter alte Fotos angesehen habe. Aber auf einer bestimmten Ebene weiß ich es vermutlich schon lange. Wir haben Bilder meines Vaters betrachtet. Sie haben mich immer schon an jemanden erinnert, und dann ist mir plötzlich klargeworden, dass du es bist. Von dem Moment an schien es total offensichtlich. Auch wenn ich es zuerst nicht bemerkt hatte.«
    Ich trat ans Geländer und spähte gemeinsam mit ihm hinaus auf die Stadt.
    »Das meiste, was ich über ihn weiß, weiß ich aus Büchern«, fuhr ich fort. »Eine Menge Fälle, eine Menge Frauen. Aber es gibt auch ein paar Erinnerungen, die in keinem Buch stehen und die nur mir gehören. Zum Beispiel wie ich das erste Mal in das Arbeitszimmer kam, das er sich zu Hause eingerichtet hatte, als er krank wurde. An der Wand hing ein gerahmtes Gemälde, eigentlich nur ein Druck, aber damals dachte ich, es wäre ein richtiges Gemälde. Der Garten der Lüste. Höchst eigenartiges, beängstigendes Zeug für einen kleinen Jungen. Für mich war es aber immer mit der Erinnerung verbunden, dass er mich auf den Schoß nahm, das Bild ansehen ließ und mir erklärte, es sei nicht beängstigend sondern schön. Er versuchte mir beizubringen, den Namen des Malers auszusprechen. Hieronymus Bosch. Reimt sich auf Anonymus, sagte er immer. Nur konnte ich damals auch Anonymus nicht sagen, geschweige denn dass ich gewusst hätte, was es bedeutete.«
    Mein Blick war nicht mehr nach draußen auf die Stadt gerichtet sondern nach innen, auf meine Erinnerungen. Ich schwieg eine Weile. Jetzt war mein Halbbruder an der Reihe. Schließlich stützte er die Ellbogen aufs Geländer.
    »Ich kann mich an dieses Haus erinnern«, begann er. »Ich habe ihn dort mal besucht.
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