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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund
Autoren: Konrad Lorenz
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getan.
    Tiere, selbst so kluge, wie es hundeartige Raubtiere sind, erwerben eine völlig neue Verhaltensweise nie durch plötzliche
     Eingebung, sondern durch assoziative Gedankenverbindungen, die sich erst nach mehrfacher Wiederholung einer Situation bilden.
     Monate mögen vergangen sein, ehe diese Schakalhündin wieder bei Verfolgung eines verwundeten Wildes, das Widergänge anlegte,
     auf der Spur vor dem Jäger herlief. Vielleicht war es erst ein späterer Nachfahre, der regelmäßig und bewußt die Jäger leitete
     und das Wild stellte.
     
    An der Grenze zwischen älterer und jüngerer Steinzeit scheint der Mensch ansässig geworden zu sein. Die ersten Häuser, die
     wir kennen, sind Pfahlbauten, die aus Sicherheitsgründen in das Flachwasser der Seen und Flüsse, ja sogar der Ostsee, gebaut
     wurden. Wir wissen, daß zu jener Zeit der Hund bereits zum Haustier geworden war. Der Torfspitz, ein kleiner, spitzähnlicher
     Hund, dessen Schädel zuerst in den Resten von Pfahlbauten an der Ostsee gefunden wurde, zeigt zwar noch deutlich seine Abkunft
     vom Goldschakal, |12| doch sind auch Merkmale echter Domestikation nicht zu übersehen. Wesentlich ist, daß es damals wilde Goldschakale, die gewiß
     im älteren Diluvium weiter verbreitet waren als heute, an der Ostseeküste nicht mehr gab. Der nach Westen und Norden vordringende
     Mensch hat also wahrscheinlich halbzahme Rudel von Goldschakalen, die seinem Lager folgten, ja vielleicht schon weitgehend
     domestizierte Hunde, an die Küste der Ostsee mitgebracht.
    Als dann der Mensch dazu überging, seine Behausung auf Pfählen ins Wasser zu stellen, und als er auch den Einbaum erfand,
     wurde zweifellos eine Änderung der Beziehungen zwischen ihm und seinen vierbeinigen Trabanten notwendig. Denn diese konnten
     nun nicht mehr das menschliche Heim von allen Seiten umlagern. Es ist anzunehmen, daß damals die Menschen, gerade beim Übergang
     zum Pfahlbau, besonders zahme, auf der Jagd bewährte und deshalb wertvolle Exemplare der noch kaum domestizierten Goldschakale
     mitnahmen und dergestalt zu »Haus-Tieren« im eigentlichen Sinne machten.
    Noch heute können wir bei verschiedenen Völkern verschiedene Typen der Hundehaltung feststellen. Der ursprünglichste ist der,
     bei welchem eine größere Zahl von Hunden, die nur in verhältnismäßig loser Bindung zum Menschen stehen, die Siedlung umlagern.
     Einen anderen finden wir in jedem europäischen Bauerndorf: Einige Hunde gehören zu einem bestimmten Haus und hängen einem
     bestimmten Herrn an. Es ist denkbar, daß sich dieser Typus mit der Entstehung des Pfahlbaues entwickelt hat. Die geringere
     Anzahl von Hunden, die man im Pfahlbau unterbringen konnte, förderte natürlich die Inzucht, womit jene erblichen Veränderungen
     begünstigt wurden, welche das eigentliche Haustier ausmachen. Für derlei Annahmen sprechen zwei Tatsachen: erstens, daß der
     Torfspitz mit seinem gewölbteren Schädel und der kürzeren Nase zweifellos eine Domestikationsform des Goldschakals ist, und
     zweitens, daß die Knochen dieser Form so gut wie ausschließlich mit den Überresten von Pfahlbauten gefunden wurden. Die Hunde
     der |13| Pfahlbauern müssen auch soweit
zahm
gewesen sein, daß man sie veranlassen konnte, entweder in einen Einbaum zu steigen oder das trennende Wasser schwimmend zu
     überqueren und auf einem Laufsteg emporzuklettern. Irgendein nur halbzahmer, das Lager umstreunender Köter würde nämlich dies
     um keinen Preis wagen, ja selbst einem Junghund meiner Zucht muß ich geduldig zureden, ehe er zum ersten Male in mein Kanu
     steigt oder das Trittbrett eines Eisenbahnwagens erklimmt.
    Die Zahmheit des Hundes war möglicherweise schon erreicht, als die Menschen Pfahlbauten errichteten, oder aber sie ist zu
     jener Zeit erst entstanden. Es ist denkbar, daß einmal eine Frau oder ein »puppenspielendes« Mädchen einen verwaisten Welpen
     im Kreise der menschlichen Familie großgezogen hat. Vielleicht war dieses Hundekind das einzig überlebende eines Wurfes, der
     vom Säbelzahntiger erbeutet wurde. Der Welpe weint, aber kein Mensch kümmert sich darum, da man damals noch starke Nerven
     hatte. Aber während die erwachsenen Männer in den Wäldern jagen und die Frauen mit Fischfang beschäftigt sind, geht so eine
     kleine Pfahlbauerntochter dem Weinen nach und findet schließlich in einer Höhlung das Hundekind, das ihr furchtlos entgegenwackelt
     und an den vorgestreckten Händen zu lecken und zu saugen
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