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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund
Autoren: Konrad Lorenz
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beginnt.
    Das rundliche, weiche und wollige Tier hat sicher schon in der Tochter der früheren Steinzeit den Drang ausgelöst, es auf
     den Arm zu nehmen, zu herzen und endlos herumzuschleppen, nicht anders als in einer Tochter unserer Tage. Denn die Triebe
     der Mütterlichkeit, denen solche Handlungen entspringen, sind uralt. Und auch die kleine Steinzeittochter hat, zunächst nur
     in spielerischer Nachahmung dessen, was sie die älteren Frauen tun sah, dem Hund zu essen gegeben, und die Gier, mit welcher
     das Hundekind sich auf alles Gebotene stürzte, hat sie nicht weniger gefreut als unsere Mütter und Frauen, wenn das Essen
     den Gästen gut schmeckt. Kurz, das Entzücken ist groß, und als die Eltern heimkehren, finden sie, zwar erstaunt, keineswegs
     aber begeistert, |14| einen kleinen vollgefressenen Schakalhund. Natürlich will der rauhe Krieger den Welpen gleich ins Wasser werfen. Aber die
     Tochter weint und hängt sich schluchzend an des Vaters Knie, so daß er stolpert und das Hundekind fallen läßt. Als er es wieder
     ergreifen will, ist es schon im Arm der Tochter geborgen, die zitternd und tränenüberströmt in der fernsten Ecke des Raumes
     steht. Da auch Steinzeitväter ihren kleinen Töchtern gegenüber nie ein steinernes Herz besessen haben, darf der Welpe bleiben.
    Dank dem reichlichen Futter ist er bald zu einem überdurchschnittlich großen und starken Tier herangewachsen. Ist er vorerst
     in kindlicher Anhänglichkeit der Tochter getreulich überallhin nachgelaufen, so macht sich seit seiner körperlichen und geistigen
     Reife eine Wandlung in seinem Verhalten bemerkbar: Obwohl der Vater, der Häuptling der Kolonie, sich kaum um den Hund kümmert,
     folgt dieser mählich immer mehr dem Manne, nicht dem Kinde nach. Es ist eben die Zeit gekommen, da sich das Tier, wäre es
     in freier Wildbahn, von der Mutter lösen würde. Hat die Tochter bisher im Leben des Welpen die Rolle der Mutter gespielt,
     so fällt nun dem Familienvater die des Rudelleiters zu, dem allein die Gefolgschaftstreue des erwachsenen Wildhundes gehört.
     Zuerst ist dem Manne diese Anhänglichkeit lästig, doch bald sieht er ein, daß der völlig zahme Rüde zur Jagd viel brauchbarer
     ist als die halbwilden Schakale, die draußen am Ufer vor der Siedlung herumlungern, sich immer noch vor dem Jäger fürchten
     und häufig gerade dann davonlaufen, wenn sie ein Wild stellen und festhalten sollen. Aber auch diesem gegenüber ist der Rüde
     schneidiger als seine ungezähmten Genossen, da sein im Pfahlbau geschütztes Leben ohne bittere Erfahrungen mit großen Raubtieren
     geblieben ist. So wird der Hund bald der Liebling des Häuptlings, sehr zum Kummer der kleinen Tochter, die den Spielgefährten
     von einst nur dann zu sehen bekommt, wenn der Vater daheim ist, und Steinzeitväter waren oft lange Zeit fort.
    Im Frühling aber, zur Zeit, da die Schakale Junge haben, kehrt der Vater eines Abends mit einem Fellsack heim, in |15| welchem es zappelt und quietscht. Und als er ihn öffnet – laut jubelt da die Tochter, weil vier Wollknäuel vor ihre Füße kollern.
     Nur die Mutter blickt ernst und meint, zwei hätten auch genügt...
    Ob sich das alles so zugetragen hat? Nun, es ist keiner von uns dabeigewesen... Aber nach allem, was wir wissen – ja, es könnte
     so gewesen sein. Allerdings wissen wir nur sehr wenig, das soll nicht verhehlt werden, wir wissen nicht einmal mit völliger
     Sicherheit, ob es ausschließlich der Goldschakal gewesen ist, der sich in der geschilderten Weise den Menschen angeschlossen
     hat. Es ist sogar recht wahrscheinlich, daß an verschiedenen Orten der Erde verschiedene größere und wolfsähnliche Schakalarten
     in dieser oder ähnlicher Weise zum Haustiere geworden sind und sich späterhin auch miteinander vermischt haben – wie ja überhaupt
     sehr viele Haustiere von mehr als einer wilden Ahnenform abstammen. Ganz sicher aber ist der Stammvater unserer meisten Haushunde
     nicht der nordische Wolf, wie früher ganz allgemein angenommen wurde. Es
gibt
nämlich einige wenige Hunderassen, die, wenn nicht ausschließlich, so doch zum größten Teil wolfsblütig sind. Die aber liefern
     gerade durch ihre Eigenart den besten Beweis dafür, daß jene
nicht
vom nordischen Wolfe abstammen. Diese nicht nur äußerlich, sondern wirklich wolfsähnlichen Hunderassen   – Eskimo- und Indianerhunde, Samojeden, russische Laikas, Chow-Chows und einige andere – entstammen sämtlich dem hohen Norden.
    
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