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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund
Autoren: Konrad Lorenz
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von einem wilden
     Tier niemals erwarten, daß es den befreundeten Menschen anders behandelt als einen Artgenossen. So brachte mir denn jener
     Dingo wohl die herzlichen Gefühle entgegen, die ein solches Tier in erwachsenem Zustande einem anderen entgegenbringt, nur
     gehörten eben |18| die der Unterwürfigkeit und des Gehorsams nicht dazu. Im Gegensatz zu diesen Wildhunden verhalten sich alle höher domestizierten
     Hunde, die, wie wir noch sehen werden, vorwiegend aureusblütig sind, während ihres ganzen Lebens zum menschlichen Herrn so,
     wie die Jungen jener zum älteren Tier.
    Wie so ziemlich sämtliche Charakterzüge, ist auch die persistierende Kindlichkeit ein Vorzug oder ein Fehler. Hunde, denen
     sie völlig mangelt, mögen in ihrer Unabhängigkeit tierpsychologisch interessant sein, doch erlebt ihr Herr an diesen »Strawanzern«
     wenig Freude. Im späteren Alter können sie unter Umständen auch recht gefährlich werden; da ihnen nämlich die typische Unterwürfigkeit
     fehlt, »finden sie einfach nichts dabei«, einen Menschen ebenso derb zu beißen und zu schütteln wie einen ihresgleichen.
    Obwohl, wie gesagt, die dauernde Jugendanhänglichkeit bei den meisten Haushunden die eigentliche Quelle der Herrentreue ist,
     kann eine extreme Übertreibung auch zu gegenteiligen Folgen führen: Solche Hunde sind dann zwar ihrem Herrn unleugbar anhänglich
     – aber jedem anderen Menschen auch! Ich habe diesen Hundecharakter einmal mit dem gewisser verwöhnter Kinder verglichen, die
     zu jedem Menschen »Onkel« sagen und in distanzloser Vertraulichkeit ihre Liebesbezeigungen auch jedem Fremden aufdrängen.
     Dabei ist es nicht etwa so, daß ein solches Tier seinen Herrn nicht kennt, nein, es freut sich herzlich, ihn gelegentlich
     wiederzusehen, ist aber unmittelbar hernach sogleich bereit, mit jedem beliebigen Menschen zu gehen, der freundlich zu ihm
     spricht oder gar mit ihm spielt. Als Kind bekam ich einmal von einem liebevollen, aber wenig tierverständigen Verwandten einen
     Dackel, ein wahres Zerrbild eines Hundes. Kroki, so hieß das Tier – es sah nämlich von allen käuflichen Lebewesen jenem Krokodil
     noch am ehesten ähnlich, welches ich zuerst geschenkt bekam, das ich aber mangels der nötigen Heizvorrichtungen nicht halten
     konnte   –, Kroki war besessen von einer überquellenden, die ganze Welt umfassenden Menschenliebe; leider war es ihm vollkommen gleichgültig, |19|
wer
jeweils diese Welt repräsentierte. Nachdem wir anfangs das treulose Vieh immer wieder aus den verschiedensten Häusern, in
     die es gelaufen war, heimgeholt hatten, resignierten wir und vermachten Kroki einer hundefreundlichen Cousine, die in Grinzing
     wohnte. Dort führte Kroki ein merkwürdiges, unhündisches Dasein: Er schlief einmal bei dieser, das andere Mal bei jener Familie,
     wurde gestohlen und wieder weiterverkauft (möglicherweise war es immer derselbe Dieb, dem der menschenfreundliche Hund zu
     gutem Verdienst verhalf) – kurz, wer das andere Ende der Leine in die Hand nahm, war geliebt und Gebieter...
    Auf anderem Blatte steht die Anhänglichkeit und Treue jener Hunderassen, in deren Adern Wolfsblut fließt. An die Stelle der
     persistierenden Jugendanhänglichkeit, die vor allem unsere gebräuchlichen aureusblütigen Haushunde kennzeichnet, tritt bei
     jenen die Mannentreue. Während der Schakal im wesentlichen Standwild ist und hauptsächlich als Aasfresser sein Leben unterhält,
     ist der Wolf fast reines Raubtier und beim Beuteerwerb, zumindest bei der Jagd nach Großwild, unbedingt auf die Unterstützung
     seiner Rudelgenossen angewiesen. Das Wolfsrudel ist gezwungen, zur Befriedigung seines großen Nahrungsbedürfnisses weite Strecken
     zu durchstreifen. Es muß auf diesen Wanderungen fest zusammenhalten, um ein Stück Großwild überwältigen zu können. Straffe
     soziale Organisation, treue Gefolgschaft dem Leitwolf und unbedingtes Einstehen füreinander im Kampf mit der gefährlichen
     Beute sind die Vorbedingungen für den Erfolg im bedrängten Dasein dieser Tiere. Daraus erklärt sich der bereits angeführte
     Unterschied im Charakter zwischen den Aureus- und den Lupushunden: Jene sehen in ihrem Herrn das Elterntier, diese den Leitwolf,
     jene sind kindlich ergeben, diese halten sozusagen die Treue von Mann zu Mann.
    Eigenartig ist es, wie die Bindung eines jungen Lupushundes an einen bestimmten Menschen zustande kommt. Der Übergang von
     kindlicher Anhänglichkeit an das Elterntier zur
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