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So hoch wie der Himmel

So hoch wie der Himmel

Titel: So hoch wie der Himmel
Autoren: Nora Roberts
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Entschluß, freiwillig in den Tod zu gehen. Weshalb sollte man ein Leben vorzeitig beenden, das einem täglich etwas Neues bot?
    Margo Sullivan, die heute mit dem Erzählen ihrer Kultstory an der Reihe gewesen war, hatte ihre Aufgabe mit Begeisterung erfüllt. Wie immer hatte sie ihrer Stimme einen dramatischen Unterton verliehen und die stürmische Nacht – den tosenden Wind, den prasselnden Regen, den grellen Blitz – so lebendig geschildert, dass es klang, als wäre sie selbst Zeugin gewesen. Der Trotz dieses Entschlusses erregte und beschäftigte sie. Sie sah Seraphina vor sich, wie sie das Gesicht gen Himmel hob, ehe sie, einen Fluch auf den Lippen, das Diesseits verließ.
    »Ziemlich dämlich, so etwas wegen eines Jungen zu tun«, bemerkte Kate. Der ordentliche Pferdeschwanz, zu dem ihr rabenschwarzes Haar gebunden war, betonte aufs reizendste die großen, mandelförmigen braunen Augen in ihrem kantigen Gesicht.
    »Sie hat ihn geliebt«, stellte Laura mit nachdenklicher Stimme fest. »Es heißt, dass er ihre einzige große Liebe war.«
    »Ich verstehe nicht, weshalb man nur einen Mann derart lieben soll.« Margo streckte ihre langen Beine aus. Sie und Laura waren zwölf, Kate elf. Doch Margos Körper deutete allmählich die Frau an, die sie zu werden versprach. Es freute sie außerordentlich, dass man ihre Brüste bereits deutlich sah. »Mit einem einzigen Typen werde ich mich jedenfalls nicht zufriedengeben«, verkündete sie herausfordernd. »Ich probiere einmal jede Menge Männer aus.«
    Kate schnaubte verächtlich. Ihr war ihr flachbrüstiges Bohnenstangendasein vollkommen egal. Sie hatte Besseres zu tun – Schule, Baseball und Musik als sich mit diesen Flegeln zu beschäftigen. »Seit Billy Leary dir die Zunge in den Hals gesteckt hat, bist du vollkommen übergeschnappt.«
    »Mir gefallen Jungen nun einmal.«
    Im Bewußtsein ihrer entwickelten Weiblichkeit setzte Margo ein überlegenes Lächeln auf und strich sich mit der Hand über das lange, weizenblonde Haar, das ihr in dichten Wellen über die Schultern fiel. Sobald sie dem wachsamen Blick ihrer Mutter entronnen war, hatte sie das Band gelöst, mit dem sie es gemäß Ann Sullivans Anweisung für gewöhnlich zusammenhielt. Genau wie ihr Körper und ihre kehlige Stimme paßte auch ihr Haar gar nicht mehr zu einem Mädchen, sondern bereits zu einer Frau.
    »Und sie mögen mich.« Was nach Margos Meinung ziemlich weit oben rangierte. »Aber ich will verdammt sein, wenn ich mich umbringe wegen einem von ihnen.«
    Automatisch sah sich Laura um. Hoffentlich hatte niemand den Kraftausdruck aus Margos Mund mitangehört. Doch natürlich waren sie allein.
    Wie jedes Jahr genoß sie den Sommer. Ihr Blick fiel auf ihr Elternhaus, das hinter ihnen auf der Kuppe des Hügels stand. Es bot ihr Sicherheit und sie sah es immer wieder gerne an, wie es sich mit seinen verspielten Türmchen, den hohen, gebogenen Fenstern und dem in der kalifornischen Sonne flimmernden roten Ziegeldach über dem Meer erhob.
    Manchmal bildete sie sich ein, es wäre eine Burg und sie die Prinzessin darin; in jüngster Zeit hatte sich obendrein ein versteckter Prinz dazugesellt, der eines Tages daherreiten, sich in sie verlieben und sie heiraten würde – glücklich mit ihm vereint bis an ihr Lebensende.
    »Mir schwebt nur ein Mann vor«, murmelte sie jetzt. »Wenn dem etwas passiert, bricht es mir das Herz.«
    »Aber du würdest ganz sicher nicht von den Klippen springen«, stellte Kate nüchtern fest. Vielleicht brachte man sich um, wenn man einen normalen Flugball verpatzte oder eine Klassenarbeit danebenging, aber wegen eines Kerls? Das wäre einfach lächerlich. »Schließlich müßtest du ja wohl erst mal abwarten, wie es weitergeht.«
    Auch sie sah zu dem vertrauten Dach hinüber. Templeton, wo sie ein Zuhause gefunden hatte. Sie dachte, dass sie von den dreien die einzige war, die verstand, was es bedeutete, wenn einem das Schlimmste widerfuhr. Mit acht Jahren hatte sie ihre Eltern verloren, musste zuschauen, wie ihre Welt zerbrach. Aber die Templetons hatten sie aufgenommen, hatten ihr ihre Zuneigung und, obgleich sie nur eine Cousine zweiten Grades aus dem unsteten Powellschen Zweig der Familie war, neue Geborgenheit geschenkt. Auf diese Weise hatte sie erfahren, dass es im Leben immer irgendwie weiterging.
    »Wißt ihr, was ich machen würde? Ich würde schreien und allen die Zunge rausstrecken«, erklärte Margo mit Entschiedenheit. Mühelos wie ein Chamäleon nahm sie die Pose
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