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So hell wie der Mond

So hell wie der Mond

Titel: So hell wie der Mond
Autoren: Nora Roberts
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Nichte gemustert. Die riesigen, seltsam exotischen braunen Augen waren hinter der dick umrandeten Lesebrille versteckt. Das dunkle, glatte Haar hing ihr in kurzen Strähnen in die Stirn. Das Mädchen schnitt es jedes Jahr kürzer, hatte Susan seufzend festgestellt. Ein schlichter, grauer Jogginganzug bedeckte den langen, dünnen Körper. Während Susans Beobachtung hatte Kate die vollen Lippen halb schmollend, halb wütend zusammengepreßt und die Stirn konzentriert in Falten gelegt.
    »Falls es dir noch nicht aufgefallen ist«, hatte Susan angesetzt. »In zehn Tagen ist Weihnachten.«
    »Hmm. Aber bald gibt es Halbjahreszeugnisse. Ich habe es gleich geschafft.«
    »Es ist fast sechs.«
    »Wartet nicht mit dem Essen auf mich. Ich möchte das hier erst noch fertig machen.«
    »Kate.« Susan war aufgestanden und hatte Kate die Brille von der Nase gezerrt. »Josh ist aus dem College gekommen. Die ganze Familie wartet auf dich. Wir wollen endlich den Weihnachtsbaum schmücken, falls du nichts dagegen hast.«
    »Oh.« Kate hatte blinzelnd versucht, sich von den Formeln zu lösen, mit denen sie sich gerade beschäftigte. Ihre Tante hatte sie reglos angesehen. »Tut mir leid. Das habe ich total vergessen. Wenn ich diese Arbeit in den Sand setze …«
    »Dann wird die Welt, wie wir sie kennen, untergehen! Ich weiß.«
    Kate hatte ihre Schultern kreisen lassen und gegrinst. »Ich schätze, dass ich ein paar Stunden erübrigen kann. Wenn auch nur dieses eine Mal.«
    »Wir fühlen uns geehrt.« Susan hatte Kates Brille auf den Tisch gelegt. »Und zieh dir etwas an die Füße, Kate.«
    »Okay. Ich bin sofort unten!«
    »Ich kann es kaum glauben, dass ich so etwas zu einem meiner Kinder sage …« Susan hatte sich bereits zum Gehen gewandt. »Aber wenn du auch nur eins dieser Bücher wieder aufschlägst, kriegst du es mit mir zu tun.«
    »Sehr wohl, Ma’am.« Kate war an ihren Schrank getreten und hatte sich ein Paar Socken von einem ordentlichen Stapel genommen, unter dem ihr heimlicher Vorrat an Appetitanregern lag; trotz deren regelmäßiger Einnahme blieb sie leider Haut und Knochen. Nachdem sie die Socken angezogen hatte, schluckte sie noch ein paar Aspirin gegen den heraufziehenden Kopfschmerz und öffnete eilig die Tür ihres Zimmers.
    »Wurde auch langsam Zeit«, hatte Margo am oberen Ende der Treppe geflötet. »Josh und Mr. T. hängen bereits die Lichterketten auf.«
    »Was sicher wieder Stunden dauern wird. Du weißt doch, wie gerne sie darüber streiten, ob man im Uhrzeigersinn oder andersherum anfangen soll.« Sie hatte den Kopf auf die Seite gelegt und Margo prüfend angesehen. »Warum, zum Teufel, hast du dich bloß so aufgedonnert, wenn ich fragen darf?«
    »Ich habe mich nicht aufgedonnert, sondern lediglich festliche Garderobe angelegt.« Margo hatte den Rock des roten Kleides glattgestrichen und selbstzufrieden auf den tiefen Ausschnitt des Oberteils geblickt, unter dem der Ansatz ihres vollen Busens vorteilhaft zur Geltung kam. Außerdem hatte sie sich in hochhackige Pumps gezwängt, da Josh unbedingt ihre wohlgeformten Beine sehen und erkennen sollte, dass sie zur Frau herangewachsen war. »Im Gegensatz zu dir ziehe ich zum Schmücken des Weihnachtsbaums eben nicht meine ältesten Lumpen an.«
    »Zumindest ist mein Jogginganzug bequem«, hatte Kate verächtlich festgestellt. »Außerdem hast du schon wieder was von Tante Susies Parfüm stibitzt.«
    »Habe ich nicht.« Margo hatte das Kinn gereckt und mit tastenden Händen ihre Frisur geprüft. »Sie hat mir einen Spritzer davon angeboten.«
    »He«, hatte Laura vom Fuß der Treppe zu ihnen hinaufgebrüllt. »Wollt ihr beide den ganzen Abend da oben stehen bleiben und streiten?«
    »Wir streiten nicht. Wir gratulieren einander zu unserem Aussehen.« Kichernd hatte sich Kate den Stufen zugewandt.
    »Dad und Josh haben ihre Diskussion über die Lichterketten fast beendet.« Mittlerweile spähte Laura durch die geräumige Eingangshalle in Richtung des Wohnzimmers. »Jetzt sitzen sie zusammen und haben sich jeder eine Zigarre angesteckt.«
    »Josh raucht eine Zigarre?« Bei der Vorstellung hatte Kate verächtlich geschnaubt.
    »Schließlich ist er inzwischen ein Harvard-Mann«, hatte Laura in übertrieben affektiertem Neuengland-Akzent erklärt. »Du hast Ringe unter den Augen.«
    »Und deine Augen strahlen wie der Sternenhimmel«, hatte Kate geantwortet. »Außerdem hast du dich genau wie Margo total herausgeputzt.« Verärgert betrachtete sie ihr eigenes
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