Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So hell wie der Mond

So hell wie der Mond

Titel: So hell wie der Mond
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
willkommen hießen.
    Die Templetons, dachte sie, hatten wortlos die Verpflichtungen übernommen – und das Kind. Boten ihr über Jahre hinweg echte Geborgenheit.
    Allein in ihrem stillen Büro legte sie den Kopf auf die Schreibtischplatte und brach in Tränen aus. Weinte und weinte, bis sie vollkommen ermattet war. Nachdem der Strom endlich versiegte, nahm sie Pillen gegen den Kopfschmerz und Tabletten gegen das Brennen in ihrem Magen. Als sie ihre Aktentasche ergriff, sagte sie sich, dass sie die Vergangenheit am besten auf sich beruhen ließ. Einfach begrub. Ebenso wie man ihren Vater und ihre Mutter begraben hatte.
    Diese Geschichte konnte sie nicht mehr bereinigen. Sie war immer noch dieselbe Frau, versicherte sie sich, wie heute vormittag. Aber sie merkte, dass sie die Tür ihres Büros nicht zu öffnen wagte, dass ihr die Vorstellung, auf dem Korridor einem Kollegen zu begegnen, unerträglich war. Also setzte sie sich wieder hin, machte die Augen zu und suchte Trost in positiven Erinnerungen. In einer Vision von Familie und Tradition. In ihrer eigenen Stärke, den persönlichen Fähigkeiten und dem Vertrauen, zu dem man sie erzogen hatte.
    Mit sechzehn hatte sie neben dem normalen Unterrichtspensum eine Reihe zusätzlicher Kurse belegt, wodurch sie ein Jahr vor ihren Klassenkameraden die Schule abschloss. Da das jedoch als Herausforderung noch nicht genügte, hatte sie obendrein cum laude graduiert. Ihre Dankesrede legte sie sich bereits Monate vorher im Geiste zurecht.
    Ihre Aktivitäten außerhalb der regulären Unterrichtsfächer hatten das Amt der Verwalterin der Klassenkasse, die Präsidentschaft des Matheclubs und einen festen Platz in der Baseballmannschaft umfaßt. Sie hatte die Hoffnung gehegt, auch in der folgenden Saison dabei zu sein; aber seinerzeit wollte sie sich ganz auf die Vorbereitung der Mathematikprüfung konzentrieren.
    Schnell hatte sie erkannt, dass der Umgang mit Zahlen ihre besondere Stärke war. Und die logische Kate faßte bereits damals den Entschluß, eine Karriere anzustreben, bei der dieses Talent zur Geltung kam. Hätte sie erst einmal ihren MBA in der Tasche – höchstwahrscheinlich schriebe sie sich zu diesem Zweck ebenso wie Josh in Harvard ein –, dann machte sie Karriere als Buchhalterin, und zwar auf höchster Ebene!
    Es war ihr egal, wenn Margo ihre Ziele als langweilig bezeichnete. Kate kannte ihre Begabung. Sie würde sich und allen, die ihr wichtig waren, beweisen, dass sie alles, was ihr zuteil geworden war, bestmöglich zu nutzen verstand.
    Da ihre Augen brannten, hatte sie ihre Brille abgesetzt und sich auf ihrem Schreibtischstuhl zurückgelehnt. Es war wichtig, so hatte sie bereits als Sechzehnjährige gewusst, dass man dem Verstand hin und wieder eine Pause gönnen musste, wenn man auf der Höhe bleiben wollte. Und da es Zeit für eine dieser Pausen gewesen war, hatte sie sich gemütlich in ihrem Zimmer umgesehen.
    Die Veränderungen, die sie auf Drängen der Templetons anläßlich ihres sechzehnten Geburtstags in dem Raum vornehmen sollte, hatten zu ihr gepaßt. In den schlichten Pinienregalen über ihrem Schreibtisch arrangierte sie ihre Bücher und Arbeitsmaterialien. Der Schreibtisch selbst war ein Prunkstück, ein echter Chippendale mit tiefen Schubladen und hübschen Verzierungen. Man hatte bereits das Gefühl von Erfolg, wenn man nur daran arbeitete.
    Sie wollte weder kitschige Tapeten noch Rüschen vorhänge. Dezente Streifen an den Wänden und einfache Jalousien hatten ihr genügt. Da sie jedoch das Bedürfnis ihrer Tante, jeden zu verwöhnen, der ihr nahestand, sehr wohl begriff, hatte sie neben den praktischen Accessoires ein verschnörkeltes, dunkelgrünes Sofa ausgewählt. Hin und wieder hatte sie sich sogar darauf ausgestreckt, wenn sie zu ihrem Vergnügen ein Buch in die Hände nahm.
    Ansonsten war der Raum so funktional eingerichtet, wie es ihrem Wesen entsprach.
    Gerade als sie die Nase wieder in die Bücher hatte stecken wollen, hatte es an der Tür geklopft. Ihre Reaktion war lediglich unwirsches Knurren.
    »Kate!« Die Hände in die Seiten ihres eleganten Twinsets gestützt, hatte sich Susan Templeton neben ihr aufgebaut. »Was soll ich bloß mit dir machen?«
    »Ich bin gleich fertig«, hatte Kate geantwortet. Der Duft des Parfüms ihrer Tante war ihr in die Nase gestiegen, und sie hatte aufgeblickt. »Halbjahreszeugnisse. Mathe. Morgen.«
    »Als ob du nicht genug darauf vorbereitet wärst.« Susan hatte sich auf das Bett gesetzt und ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher