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So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt
Autoren: Batya Gur
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ausgebreitet in der Hand. »Klemmen«, rief Jo’ela, klemmte die Nabelschnur ab, durchschnitt sie und legte das Baby, das sofort schrie, in die Arme des Kinderarztes.
    »Eine dreiviertel Minute«, sagte der Anästhesist verblüfft. Nerja schwieg. Jo’ela atmete tief.
    »Notiert: Männliches Kind, APGAR neun«, diktierte der Kinderarzt aus der anderen Ecke des Operationssaals. »Vergiß nicht deinen Operationsbericht, Jo’ela.«
    Mirjam lächelte, wischte sich mit dem Arm über die Stirn, und ihre grünen Ohrringe klirrten. Monika setzte sich auf einen Hocker, nicht weit vom Anästhe-sisten.
    Plötzlich hatte sich die Atmosphäre entspannt. Jo’ela blickte sich um, sie sah Nerjas rotes Gesicht, der sich die Bänder der Maske befestigte, sie sah die grünen Tücher, die die Operationsschwester um den offenen Bauch legte. »Doktor Goldschmidt, Maske«, erinnerte sie eine andere Schwester und hielt ihr auch einen Operationskittel und eine grüne, besonders große Hose hin, in die Jo’ela ihr helles Kleid stopfte.
    Der neue Praktikant räusperte sich und fragte verlegen: »Vielleicht gibt es noch eine andere Hose? Diese da hat kein Gummi.«
    Die Schwester reichte ihm eine neue Hose, nahm ihm die ohne Gummi aus der Hand und warf sie in den großen Abfalleimer. Nerja schwankte, als er mit dem Fuß ins erste Hosenbein stieg.
    »Bitte einen Tupfer«, sagte Jo’ela. »Die manuelle Ablösung der Plazenta«, teilte Nerja leise dem neuen Praktikanten mit.
    Jo’ela schob ihre Hand in die Gebärmutter. »Untersuchung der Gebärmutter – sauber«, sagte sie. »Gib mir Chrom-Catgut, bitte, doppelt.« Die Operationsschwester reichte ihr den Faden.
    Nerja beugte sich vor und schaute zu. »Schaut nur, was für eine großartige Naht Jo’ela macht«, sagte er. Die Augen der Operationsschwester lachten über der Maske. Nun, da sein Mund und sein Kinn von der Maske verdeckt waren, fiel ihr zum ersten Mal auf, daß der obere Teil von Nerjas Gesicht, oberhalb des Nasenrückens, die kleinen Augen und die zerfurchte Stirn, aussah wie das Gesicht einer alten erschrockenen Frau. »Jetzt ist die Gebärmutter mit zwei Nähten Chrom-Catgut vernäht«, berichtete Jo’ela.
    »Wir haben eine Fasziennaht gemacht unter Verwendung von resorbierbarem Material«, sagte Nerja zu dem jungen Praktikanten, der noch immer den offenen Bauch anstarrte. »Wir wollen nicht lange im Bauch bleiben, weil wir uns nicht gewaschen haben«, sagte Nerja.
    Der Assistent nickte.
    »Chrom-Catgut«, sagte Jo’ela und streckte die Hand aus.
    »Wir schließen jetzt das Peritoneum«, sagte Nerja, »mit Chrom-Catgut einfach, nicht doppelt.«
    »Fangt an zu zählen«, sagte die Operationsschwester, und eine andere Schwester fing an, laut die Tupfer und die Fäden zu zählen.
    »Wie viele kleine Messer waren da?« fragte der Prak-tikant.
    »Das ist in Ordnung«, beruhigte ihn Nerja, »es waren zwei, und da liegen zwei.«
    »Sie schließt die Faszie, das ist eine sehr wichtige Naht, wegen der Festigkeit des Gewebes«, erklärte Nerja leise dem Praktikanten und folgte den Bewegungen Jo’elas, die sich langsam der Haut näherte und sie mit Klemmen festmachte. »Was du hier siehst, ist Haute Couture, niemand näht so schön wie Jo’ela.«
    »Hast du ihr Oxytozin gegeben?« fragte Jo’ela den Anästhesisten. Der nickte und sagte: »Schon vorhin, als du die Faszie vernäht hast. Sie kommt langsam zu sich, sie atmet schon selbst, der Puls ist in Ordnung, der Blutdruck in Ordnung.«
    »Was? Was?« murmelte Chanale.
    »Das Kind ist da«, sagte Jo’ela, »alles in Ordnung.« Sie berührte Chanales weiße, kühle Wange.
    »Was ist es?« flüsterte Chanale erschöpft.
    Jo’ela warf Mirjam einen fragenden Blick zu.
    »Nun, was ist es?« fragte die Operationsschwester.
    »Ein Junge, dreitausendvierhundert Gramm, APGAR neun«, sagte Mirjam. »Neun Punkte, das ist sehr gut.«
    Chanale reagierte nicht.
    »Sie wird noch oft genug fragen, bis sie es kapiert hat«, sagte Nerja lächelnd und zog sich die Maske vom Gesicht.
    Nicht nur Elik wartete draußen, neben dem Aufwachzimmer, vor ihm standen die Mutter und Tante Sarah, und bevor sie etwas sagen konnten, verkündete Jo’ela: »Alles in Ordnung. Herzlichen Glückwunsch, ein Junge, dreitausendvierhundert, es geht ihm gut. Auch der Mutter.«
    Tante Sarah machte den Mund auf, lief dann aber, ohne etwas zu sagen, ins Aufwachzimmer. Elik folgte ihr mit langsamen Schritten.
    Pnina ließ sich auf den orangefarbenen Stuhl sinken, vor dem sie
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