Snuff: Roman (German Edition)

Wichser. Einer winkt mich zu sich, zeigt mit Zeigeund Mittelfinger an die Decke und dann auf sich selbst, so wie man im Restaurant einen Kellner ranwinkt. Ich sehe ihm fest in die Augen. Und gehe rüber. Dieser Loser hebt die andere Hand, spreizt die Finger, und auf seiner Handfläche liegt ein gefalteter Fünfzigdollarschein. Das Geld, aufgeweicht und durchsichtig von Popcornbutter. Feucht von Mineralwasser. Fettig von Lippenstift. Der Loser schiebt das Geld auf mein Clipboard und sagt: »Sieh mal auf deiner Liste nach, Schätzchen, ich bin jetzt bestimmt als Nächster dran...«
    Er will mich bestechen.
    Offiziell haben wir für die Vergabe der Nummern einen Zufallsgenerator. Wessen Nummer aufleuchtet, der muss als Nächster zum Set.
    Den Leuchtstift aus meiner Hinterntasche ziehen. Einen Strich auf den Schein malen, um zu prüfen, ob es eine Fälschung ist. Den Fünfziger vor das Licht eines Monitors halten, um zu sehen, ob der Magnetstreifen drin ist. Ms. Wrights Arsch im Film windet sich hinter dem Geld.
    Ich klemme den Fünfziger unter das oberste Blatt meiner Namensliste und schreibe die Nummer des Losers auf. Wichser 573. Unter diesem oberen Blatt ist ein dickes Polster aus geglätteten Fünfzigern und Zwanzigern. Ein paar Hunderter. Eine Matratze aus Bargeld.
    Wenn man mich fragt, worin Ms. Chong am besten war, dann sage ich: in Organisation. Es war ihre Idee, die Männer in Fünfergruppen zum Set zu bringen. Der Erste, der von diesen fünf eine Erektion hinbekam, durfte sie ficken. Die Gruppen waren jeweils für zehn Minuten am Set, und wer konnte, durfte in dieser Zeit ejakulieren. Auch wenn manche gar keinen hoch bekamen und sie nicht mal anfassten, wurden alle fünf für die insgesamt 251 mitgezählt.
    Der eigentliche Geniestreich aber war es, einen Wettbewerb daraus zu machen. Einen Wettlauf des Erigierens. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Männchen, die vor einem Geschlechtsakt in enger räumlicher Nähe miteinander zusammen sind, die Zahl der Spermien zunimmt. Diese Untersuchungen basieren auf Beobachtungen in Milchfarmen, wo Bullen gruppenweise in der Nähe einer fruchtbaren Kuh angepflockt werden. Auf diese Weise gewinnt man einen größeren Ertrag an brauchbarem Samen. Stärkeres Zusammenziehen des Beckenbodens, Maximierung von Höhe und Weite der ausgestoßenen Samenflüssigkeit.
    Die Wissenschaft eines guten Cumshots.
    Vermehrte Affinität und Oberflächenspannung. Höhere Viskosität. Die Physik eines guten Facials.
    Eine biologische Notwendigkeit, nur besser. Pornofilme auf der Basis moderner Viehproduktion. Branchengeheimnisse, die jedem ordentlichen Gangbang das Romantische nehmen können.
    Tatsache.
    Wer auch noch die letzten Loser einsammeln will, die Gestörten, die Probleme mit Intimität haben, die Männer, die absolut unfähig sind, von sich selbst zu sprechen, und schreckliche Angst vor Zurückweisung haben – wer einen repräsentativen Querschnitt dieser Flachwichser zusammenstellen will -, der braucht nur eine Zeitungsanzeige aufzugeben: Männliche Darsteller für Gangbangfilm gesucht.
    Der britischen Anthropologin Catherine Blackledge zufolge beginnt der menschliche Fötus schon einen Monat vor der Geburt im Mutterleib zu masturbieren. Dieses Zucken und Rucken im Uterus in der zweiunddreißigsten Woche, das kommt nicht von Tritten des Babys. Nein. Der kleine Schlingel hat zu wichsen angefangen und wird nie mehr damit aufhören.
    Dieses Heer von Flachwichsern, sie haben den Sony Betamax gekillt. Den Sieg der VHS-Technik über Beta erzwungen. Die kostspielige erste Generation des Internet in die Häuser geholt. Das ganze Web überhaupt erst möglich gemacht. Ihr einsames Geld hat die Server finanziert. Ihr Pornokonsum im Netz hat dafür gesorgt, dass die technischen Voraussetzungen für Onlinehandel und Firewalls geschaffen wurden, die eBay und Amazon überhaupt erst möglich gemacht haben.
    Diese einsamen Lakennässer haben mit ihren Schwänzen darüber abgestimmt und den Wettlauf zwischen HD und Blu-ray um die Weltherrschaft auf dem Gebiet der Bildschirmtechnik entschieden.
    In der Elektronikindustrie nennt man diese Männer »Frühanwender« oder »Beta-Tester«. Diese pathologisch einsamen Männer. Mit ihrem Unvermögen, emotionale Beziehungen einzugehen.
    Tatsache.
    Diese Faustrammler sind die Trendsetter. Was sie anmacht, entscheidet darüber, was Millionen Kinder nächstes Jahr zu Weihnachten haben wollen.
    Drüben hebt der nächste Loser den Arm und wedelt mir mit einem