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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens
Autoren: Dan Kieran
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Qualität dieses Lebens zu verbessern. Als ob es wichtiger wäre, unser Leben in messbarer Zeit zu verlängern, als unser eigentliches Leben zu führen. Im Leben und beim Reisen geht es jedoch nicht um Dauer oder Entfernungen. Es ist die Intensität des Erlebens, die zählt, und genauso wie die Länge der englischen Küste davon abhängt, wie man sie vermisst, verhält es sich auch mit dem Leben an sich. Je mehr man sich darauf einlässt, desto länger wird es einem vorkommen.
    Diese Philosophie findet sich in der Slow-Food-Bewegung wieder – einer Kampagne, die Carlo Petrini ins Leben gerufen hat, um gegen die Eröffnung einer McDonald’s-Filiale neben der Spanischen Treppe in Rom zu protestieren. Was aus dem Bedürfnis heraus entstand, sich für einheimische und faire Produkte als Alternative zur Fast-Food-Kultur einzusetzen, wurde bald zum Ausgangspunkt einer ganzen Lebensphilosophie. Seither haben sich »Slow Events« zu den verschiedensten Themen überall auf der Weltverbreitet, ob es nun um »langsames« Gärtnern oder »langsame« Erziehung geht. Ich selbst bin nicht in diese Organisation involviert, aber ich sehe ihre wachsende Popularität als ein erstes Zeichen dafür, dass sich überall auf der Welt eine neue Denkweise verbreitet, die sich für einen ausgewogeneren Ansatz einsetzt als denjenigen, der unsere Lebensweise seit langem dominiert. Gerade nach der Finanzkrise, die wir kürzlich erleben mussten, sollten wir dafür offen sein.

    Wenn es jemanden gibt, der uns beibringen kann, wie wir unser Leben intensiver erfahren können, dann ist es Satish Kumar. Seine Autobiografie trägt den Titel No Destination, was so viel heißt wie »ohne Ziel«. Wenn Petrini der Vater der Slow-Bewegung ist, dann ist Kumar die dazugehörige Gottheit – obwohl er diesen Gedanken sicherlich mit freundlicher Verwunderung beiseitewischen würde.
    Kumar wurde 1936 in der Stadt Sri Dungargarh geboren, die in der nordindischen Provinz Rajasthan liegt. Sein Vater starb unverhofft, als er vier Jahre alt war, und der Schock beim Anblick des Toten brachte den Jungen dazu, sich fünf Jahre später den Jain-Wandermönchen anzuschließen. Der Jain-Orden glaubt an vollkommene Gewaltlosigkeit. Die Mönche bedecken ihr Gesicht mit einem Gazetuch, um zu verhindern, dass ihnen Insekten in den Mund fliegen und dabei verletzt werden. Beim Wandern blicken sie zur Erde, um sicherzugehen, dass sie keine Lebewesen mit den Füßen zertreten, sie fegen den Boden, bevor sie sich hinsetzen, damit sie dabei nichts beschädigen. Diese freiwillige Selbstbeschränkung verbot es Kumar auch, jegliches Transportmittel außer seinen eigenen Füßen zu benutzen. Er verbrachte die folgenden neun Jahre damit, barfuß Tausende vonKilometern durch Indien zu wandern, aus heiligen Schriften zu rezitieren, zu meditieren und Vorträge zu halten; seine einzigen Besitztümer bestanden aus einer Bettelschale für Essen und der Kleidung, die er am Körper trug. Außerdem durfte er sich nicht waschen.
    Dann, als er 18 Jahre alt war, stieß er auf die Schriften Gandhis. Sie überzeugten ihn davon, dass man die Welt nur verändern kann, wenn man ein Teil von ihr ist, anstatt sich vollständig von ihr abzukehren. Kumar kam zu dem Schluss, dass sein Leben als Mönch im Grunde auch nur ein Versuch war, sich zu verstecken, wenn auch ein radikaler. Bevor er den Jain-Orden verließ – was er heimlich tun musste –, erzählte er den versammelten Anhängern im Dorf eine Geschichte. In seiner Autobiografie erinnert er sich an die letzten Worte, die er als Mönch sprach:
    Wir alle befinden uns auf einer Reise. Es ist eine schwere und gefährliche Reise. Wir müssen auf die innere Stimme hören, die unseren Schlaf stört. Diese innere Stimme ist der Schlüssel zur Erlösung. Ich muss euch davor warnen, dass keine äußere Macht euch in die Freiheit führen kann … Sogar die Mönche in ihren weißen Gewändern können sich täuschen, wenn sie den äußerlichen Manifestationen des spirituellen Lebens blindlings folgen, und indem sie sich selbst täuschen, täuschen sie auch alle anderen.
    In dieser Nacht floh er und machte sich auf die Suche nach Vinoba Bhave, einem Anhänger Gandhis, der auf einer Pilgerreise durch Indien war, um reiche Landbesitzer dazu zu bringen, Teile ihres Besitzes an die ärmsten Opfer des Kastensystems abzugeben. Kumar schloss sich einer von Bhaves Gemeinschaften an, die in einem Aschram lebte, denndort strebte man nach der Ausgewogenheit, die er
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