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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens
Autoren: Dan Kieran
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suchte. Der Grundsatz des Aschrams lautete, »eine Synthese von Intellekt und manueller Arbeit, Kopf und Hand, Kontemplation und Handeln sowie Wissenschaft und Spiritualität zu finden«. Kumar begleitete fortan Bhave auf seinen Reisen durch Indien und trat der »wandernden Universität« bei, wie Bhave es nannte. Er wies Kumar an, nicht stillzustehen, sondern »im Fluss zu bleiben«.
    Als Kumar 25 Jahre alt war, las er etwas über den damals 90-jährigen englischen Philosophen Bertrand Russell, der gerade wegen seiner Teilnahme an einer Demonstration gegen Nuklearwaffen in London verhaftet worden war. Kumar saß in einem Café und erinnert sich daran, wie er zu seinem Freund Prabhakar sagte: »Dieser alte Mann übt zivilen Ungehorsam aus und geht dafür ins Gefängnis. Und was tun wir?«
    Sie beschlossen, auf eine ausgedehnte Pilgerreise zu gehen, die sie von Gandhis Grab in die Hauptstädte der vier Länder führen sollte, die Nuklearwaffen besaßen – nach Moskau, Paris, London und Washington, D.C. –, um gegen die nukleare Bedrohung zu protestieren. Sie fingen an, Spenden von Freunden und Unterstützern zu sammeln, um ihre Reise zu finanzieren, bevor sie Bhave aufsuchten, um seine Zustimmung zu bekommen. Er nahm ihre Idee wohlwol-lend auf und sagte ihnen, sie hätten seinen Segen, wenn sie zwei Waffen mitnehmen würden. Überrascht, dass ein leidenschaftlicher Verfechter der Gewaltlosigkeit von Waffen sprach, baten sie ihn um eine Erklärung. »Die erste Waffe besteht darin, dass ihr unter allen Umständen Vegetarier bleibt; und die zweite Waffe besteht darin, dass ihr kein Geld mitnehmt, nicht einen einzigen Pfennig.« Sie waren einverstanden, und er gab ihnen die Prophezeiung mit auf den Weg, dass die Welt sie mit offenen Armen aufnehmen würde.
    Kumar erläuterte später in einem Interview, da Angst zu Krieg führe, müsse Vertrauen Frieden bringen; es sei daher absolut vernünftig gewesen, sich auf eine Friedenspilgerfahrt zu begeben, die von dem Wohlwollen von völlig Fremden abhängig war. Auf unserer Reise durch England hatten wir zwar Geld dabei, aber wir verließen uns trotzdem auf Menschen, denen wir noch nie begegnet waren, um unseren Milchwagen aufzuladen. Daraus ergaben sich letztlich die schönsten und inspirierendsten Momente – und wir mussten nie für den Strom bezahlen. Wir lernten, dass man, wenn man sich auf andere Menschen verlassen muss, dazu gezwungen ist, offen zu sein und sich auf sie einzulassen, wodurch sich bald ein Gefühl von Gemeinschaft entwickelt. Ein Mensch führt einen zum nächsten, der einen wieder ein Stück weiter auf dem Weg bringt oder in eine etwas andere Richtung lenkt als die, die man einschlagen wollte. Es ist ein Kontrollverlust, aber einer, der ganz und gar lebensbejahend und befreiend ist. Die Kraft, die aus einem solchen Verhalten entsteht, verbreitet sich exponentiell.
    Wenn man allerdings genug Geld hat und nicht auf die Hilfe anderer angewiesen ist, kann man um die ganze Welt fahren, ohne einem einzigen Einheimischen zu begegnen, außer denjenigen, die einen bedienen – was mehr oder weniger genau das ist, wohin der moderne Urlaub uns gebracht hat.

    Die Reise der zwei Pilger fing gut an, als sie sich in den Norden Indiens aufmachten. Sie wurden mit Essen und Übernachtungsangeboten geradezu überhäuft, doch ihre Freunde und Unterstützer machten sich Sorgen, dass ihnen etwas zustoßen könnte, wenn sie die Grenze zu Pakistanüberquerten. Eine Frau bot ihnen ein großes Essenspaket an, aber Kumar und Prabhakar lehnten es ab, denn sie fanden, wenn sie es annähmen, würde es so wirken, als ob sie dem pakistanischen Volk misstrauten. Als sie den Zoll endlich hinter sich hatten, trafen sie einen Mann, der im Radio von ihrer Pilgerfahrt gehört hatte und bereits seit Stunden wartete, um sie in sein Haus einzuladen.
    Sogar an den gefährlichsten Orten wie dem Khaiberpass in Afghanistan, wo sie um ihre Sicherheit fürchteten, trafen sie auf dieselbe Großzügigkeit. Ein bewaffneter Paschtune erzählte ihnen: »Wir sind der bösartigsten Propaganda ausgesetzt … Deshalb fühlen wir uns missachtet und isoliert. Wir glauben, wenn ein Gast kommt, kommt Gott in ihm.«
    Im Iran trafen sie den Schah, der ihr Unternehmen unterstützte und ihnen Geld anbot; als sie ablehnten, lachte er und sagte: »Wir sind alle gleich. Ich habe auch niemals Geld bei mir! Ein Schah und ein Fakir [ein muslimischer Bettelmönch] haben viel gemeinsam.« Er sorgte jedoch dafür, dass sie
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