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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens
Autoren: Dan Kieran
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der damals ein Kleinkind war, begleiteten mich. Da Wilf darauf bestand, in der Galerie herumzurennen, hatte ich kaum Zeit, mir die Bilder anzuschauen. Ich stand dennoch einige Minuten vor dem Herzog und der Herzogin und sah mir die anderen Besucher an, die ringsum standen. Links von den Bildern befindet sich ein Fenster, und mein Blick wanderte nach draußen. Ich dachte an die Jahre zurück, die vergangen waren, seit ich zum letzten Mal hier gewesen war und sie gesehen hatte. Ich nahm Wilf auf den Arm, um ihm die Bilder zu zeigen, doch es ging um meinen Traum, nicht um seinen, und er machte sich schnell wieder los.
    Es geht mir nicht um Nostalgie und auch nicht darum, mich selbst daran zu erinnern, an welchen Vorstellungen ich mich in meinem Leben orientiert habe – die meisten, davon bin ich mittlerweile überzeugt, stammen aus meiner rechten Gehirnhälfte. Als Ian beispielsweise die Idee hatte, mit einem Milchwagen durch England zu fahren, und ich intuitiv wusste, dass wir es unbedingt tun sollten, lächelte ich bei dem Gedanken an mein 19-jähriges Ich, das in den Uffizien steht. Der andere faszinierende Aspekt daran – der mir erst beim Schreiben dieses Buchs auffiel – stellt das Konzept des Reisens vollständig auf den Kopf. Die Gemälde sind natürlich immer noch ein Reiseziel für mich, aber indem ich sie wieder aufsuche, verwandele ich die Lebenszeit, die zwischen meinen Besuchen liegt, in eine Abfolge von zehn Jahre andauernden Reisen. Das hilft mir dabei, mein ganzes Leben als eine Reiseerfahrung zu sehen, nicht nur die Zeitabschnitte, die wir als Jahresurlaub bezeichnen. Und selbst wenn es albern erscheinen mag, sich den modernen Touristen als eine aktualisierte Version des Odysseus vorzustellen, sind wir doch alle wie Odysseus, was unser eigenes Leben angeht. Deshalb übt das langsame Reisen auf mich einensolchen Reiz aus, denn es bringt einen dazu, das eigene Leben als die einzige epische Realität anzusehen, die man jemals erfahren wird.
    Unser Dasein ist eine Erzählung, die wir aus unserer eigenen Erinnerung und der Zukunft, die in unserer Vorstellung vor uns liegt, konstruieren. Wir denken über uns selbst nach, indem wir eine Geschichte als Medium benutzen: unsere Herkunft, unsere ersten Erfahrungen, die unser Weltbild prägen, und die Entscheidungen, die uns in eine bestimmte Richtung geleitet haben. Wir alle sind die Autoren unserer eigenen Erfahrungen, und deshalb ist es so wichtig, gelegentlich innezuhalten und sich umzusehen. Wenn man es zulässt, sich auf eine Reihe von »phonetischen« Erfahrungen reduzieren zu lassen, indem man einen Posten nach dem anderen von einer Liste abhakt, fliegt das Leben sehr schnell vorbei.
    Die Psychologin Claudia Hammond untersucht in ihrem Buch Time Warped , wie wir die Zeit im Verlauf unseres Lebens wahrnehmen. Sie räumt mit der verbreiteten Ansicht auf, dass das Leben schneller zu vergehen scheint, wenn wir älter werden, nur weil ein Jahr im Leben eines Fünfjährigen einen größeren Teil seiner Lebenszeit ausmacht als für einen 50-Jährigen. Wenn es so wäre, würde jeder einzelne Tag unseres Lebens immer schneller vergehen, während wir altern, was offensichtlich nicht der Fall ist. Stattdessen, sagt Hammond, hängt unsere Zeitwahrnehmung vollkommen davon ab, was wir mit unserer Zeit anfangen . Je mehr wir uns von unserer täglichen Routine entfernen, desto bewusster wird uns, was wir tun, und desto langsamer scheint die Zeit zu vergehen.
    Das ist mir auch auf meinen eigenen Reisen aufgefallen. Wenn ich von einer meiner langsamen Reisen heimkehre, kommt es mir so vor, als sei ich viel länger weg gewesen alsdie Stunden, Tage oder Wochen, die nach der Uhr oder dem Kalender vergangen sind. Der Trip nach Mull, den Kev und ich unternommen haben, ist ein gutes Beispiel dafür. Als wir am Montagmorgen wieder zurück in London waren, schien es, als wären inzwischen nicht Tage, sondern Wochen vergangen. Ich bin mir sicher, dass es daran lag, dass wir während unserer gesamten Reise bewusst gelebt haben und nicht unbewusst. Wenn Sie wollen, dass Ihr Leben sich verlangsamt und Ihnen nicht davonläuft, sollten Sie im Augenblick leben und sich völlig darauf einlassen. Dadurch wird Ihr Leben tatsächlich zu einem Abenteuer, das Sie genießen können, anstatt ein Routineablauf, der Sie bis zu Ihrem letzten Atemzug auf Trab hält.
    Wir verwenden viel mehr Zeit darauf, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir unsere Lebensdauer verlängern können, anstatt die
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