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Sklaven der Begierde

Sklaven der Begierde

Titel: Sklaven der Begierde
Autoren: Tiffany Reisz
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York lebten, weil er dort wohnte.
    „Merde“ , fluchte er, als eine Hochzeitsgesellschaft seinen Weg versperrte. Die Kutsche mit der errötenden Braut und ihrem unscheinbaren Bräutigam kam nur langsam über die Kreuzung, und hundert lächelnde und plaudernde Gäste schlenderten zu Fuß hinterher.
    Wenn Marie-Laure und Søren bloß so eine Hochzeit gehabt hätten – am helllichten Tag, mit eine Schar fröhlicher Gäste, die nicht eifersüchtig auf das Paar waren, sondern ihm Glück wünschten. Wenn die Liebe in dieser Ehe bloß nicht so einseitig gewesen wäre. Wenn bloß …
    Endlich war die festliche Prozession vorbeigezogen, und Kingsley konnte wieder Gas geben. Er fuhr den Rest des Weges mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit, würgte den Motor ab und rannte ohne anzuklopfen durch die Tür des Pfarrhauses. Sein Körper schmerzte immer noch bei jedem Schritt. Nicht mal früher, als sie beide Teenager waren, hatte Søren ihn je so brutal zugerichtet wie letzte Nacht. Kingsley hätte das gern für einen Liebesbeweis gehalten, aber er war nicht mehr der junge Narr von vor dreißig Jahren. Inzwischen kannte er den Unterschied zwischen Lust und Liebe. Damals war das für ihn ein und dasselbe gewesen.
    Er fand den Priester zwar nicht im Pfarrhaus, aber das war kein Grund zur Verzweiflung. Er hatte die schwarze Ducati draußen gesehen, Sørens einziges Transportmittel. Er konnte also nicht weit sein. Zum ersten Mal seit fünf Jahren betrat Kingsley die Sacred Heart, und beim Anblick der Kerzen, der Reliquienschreine, der winzigen Kapelle der Ewigen Anbetung trug er besonders schwer an seiner Schuld. Es war kein katholisches Schuldgefühl. Was er empfand, ging tiefer als jede Religion, jeder Glaube. Die Schuld lag ihm im Blut, in seinem eigenen Blut, das auch durch die Adern seiner Schwester geflossen war und das er betrogen hatte. Er hatte sie an jenem Tag verraten, als er Marie-Laures jungen Ehemann dazu angestachelt hatte, ihn zu küssen – wohl wissend, dass seine Schwester sie zusammen sehen würde.
    Søren war nicht im Altarraum. Er war auch nicht in der Kapelle. Kingsley fand ihn schließlich im Büro seiner Sekretärin. Er saß an ihrem Schreibtisch, vor sich den Ausdruck eines Zeitungsartikels.
    „Mon père“ , sagte Kingsley, und Søren blickte auf.
    Er hielt ihm das Stück Papier hin, und Kingsley nahm es und las schnell das Datum: Januar 1980. Dann überflog er die Überschrift: Kanadische Ausreißerin seit drei Wochen vermisst – vermutlich tot . Er betrachtete das Foto des vermissten Mädchens. Sie hatte langes braunes Haar, eine schlanke Figur – die Figur einer Tänzerin. Wenn sie das Gesicht des Mädchens entfernt hätten, sähe es Marie-Laure zum Verwechseln ähnlich. Was hatte Christian doch gleich gesagt? Das Tal, in dem die Hütte stand, war seit Jahrzehnten ein Durchgangsweg für Ausreißer aus Kanada. Und plötzlich wusste er, was passiert war. Seine Schwester hatte diese Ausreißerin gefunden. Sie hatte ihre Chance erkannt – und sie genutzt.
    „Es ist Marie-Laure“, sagte Kingsley ohne Einleitung. „Sie lebt.“
    Søren stand auf und sah ihm in die Augen. „Ich weiß. Deine Schwester lebt. Und das bedeutet …“
    Kingsleys Knie wurden weich, als ihm aufging, was Søren meinte. Tatsächlich begriff er erst in diesem Augenblick, als er in der Sacred Heart stand und Søren mit seinem römischen Kragen und seiner Amtstracht vor sich sah – Søren, der Armut und Gehorsam und Keuschheit gelobt hatte –, was die Tatsache, dass Marie-Laure nicht tot war, wirklich bedeutete.
    „Deine Frau lebt.“

SÜDEN
    Wesley hatte einen Plan. Einen dummen Plan. Einen schrecklichen Plan. Den schlimmsten Plan, den man sich vorstellen konnte. Aber es war sein einziger. Und er konnte nur hoffen, dass Nora, die Königin der dummen Pläne, dabei mitmachen würde. Es begann mit einem Pferd.
    „Ich setze mich nicht auf das Ding da.“ Nora blieb am weiß gestrichenen Gatter stehen, während Wesley besagtes Pferd an ihr vorbeiführte.
    „Du brauchst dich auch nicht auf das Ding da zu setzen. Das Ding da, bei dem es sich genau genommen um einen Saddlebred-Hengst handelt, ist meins. Deins steht noch im Stall.“
    „Ist mein Ding wesentlich kürzer als dein Ding?“
    „Viel kürzer und viel zahmer.“
    „Gut. Dann lass uns mit der Hund-und-Pony-Show anfangen. Wo ist überhaupt der Hund?“
    „Wir haben keinen Hund. Es ist leider nur eine Pony-Show.“
    „Damit kann ich leben.“
    Wesley band sein Pferd
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